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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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Esel durchs Bild, hob den Daumen und antwortete auf die drängende Frage des Familienvaters: »Vielleicht können Sie uns sagen, wo’s hier zum Strandbad geht?« – »Deutsch gut!«
    Dieser knappe Ausruf erwies sich als Problem. Der Komparse, der »Deutsch gut!« sagen sollte, brachte es einfach nicht heraus, es wurde immer »Dolsch gud« daraus. Erst als wir auf die Idee verfielen, ihm seinen Text in Lautschrift aufzuschreiben (»DOICH«), und nachdem Loriot ihm sehr langsam und mit höchst expressiven Lippenbewegungen und stark konsonantiertem End-t die Worte »Doitsch gut« vorsprach, gelang dem Mann das knappe Lob der touristischen Gastnation.
    Mehr als bei den Studiosketchen war bei »Gran Paradiso« der Cartoonist Loriot bei der Arbeit zu beobachten. Im Prinzip baute er filmische Bilder, die seinen Zeichnungen entsprachen. Er rückte die Requisiten und Schauspieler so lange hin und her, bis sein Bild stand. Aber nicht nur die Kameraeinstellung musste seiner »inneren Zeichnung« entsprechen. So wie der Trickfilmer jede winzige Regung seiner Figuren detailliert bestimmt, jedes Augenzwinkern, jedes noch so kleine Lächeln, hatte Loriot auch genaue Vorstellungen von Mimik und Timing seiner Schauspieler.
    Hier kam Evelyn Hamanns phänomenale Präzision das erste Mal zum Tragen. Wenn Loriot die Bitte äußerte – er bat immer und war ein äußerst leiser Diktator –, zwischen zwei bestimmten Worten die linke Augenbraue leicht anzuheben, so wie er es eine Trickfilmfigur hätte machen lassen, kam Evelyn seiner Bitte mit atemberaubender Genauigkeit nach. Die dicke Mutti, die für die Rolle vorgesehen war, war schnell vergessen. Wir waren äußerst angetan von der dünnen Evelyn. Auf jeden Fall hatte sie Loriot so sehr überzeugt, dass er sie für die zweite Bremer Sendung »Loriots Teleskizzen« gleich wieder engagierte – in einer völlig anderen Rolle.
    Beim anschließenden Dreh des »Arbeiterinterviews« im Hanomag-Werk lernte ich endlich Heinz Meier kennen. Er gehörte schon bei den Stuttgarter »Cartoon«-Sendungen zum festen Loriot-Ensemble und wurde als einer der wenigen Schauspieler nach Bremen eingeflogen. Heinz Meier hatte in »Der Astronaut«, einem meiner absoluten Lieblingssketche aus »Cartoon«, einen Verwaltungsinspektor gespielt, der versehentlich von einem Fernsehreporter für einen Astronauten gehalten wird. Nachdem der falsche Astronaut seine wahre Identität preisgegeben hat, ignoriert der Reporter – Loriot in der Rolle des Viktor Schmoller – diese völlig und stellt unbeirrt weiter Fragen zu weltraumtechnischen Details: »Verwaltungsinspektor, das ist ein erregender, abenteuerlicher Beruf …« – »Jaaa-eh …« – »Was war bisher die äußerste Entfernung von der Erdoberfläche, in der Sie gearbeitet haben?« Die Art und Weise, wie Heinz Meier stoisch und vollkommen unpointiert alle diese Fragen beantwortet, ist schlichtweg hinreißend: »Ja, wir arbeiten jetzt im … äh … dritten Obergeschoss …«
    Als Meier dann den mit seinem Schinkenbrot kämpfenden Arbeiter spielte, beseitigte er meine Skepsis, ob man sich derart über die »Arbeiterklasse« lustig machen durfte, zumindest teilweise. Er war einfach zu komisch.
    Mit dem Fabriksketch war der Dreh an Originalmotiven Mitte Juni 1975 abgeschlossen. Der Studioblock folgte erst Ende August. Bei den Originaldrehs arbeiteten wir mit 16mm-Umkehrfilm (vergleichbar einem Diapositiv-Film), einem Material, das in erster Linie in der aktuellen Berichterstattung zum Einsatz kam – und leider auch entsprechend aussah. Bis heute leide ich darunter, dass die 16mm-Aufnahmen selbst nach digitaler Restaurierung im 21. Jahrhundert nur von geringer farblicher Brillanz und Schärfe sind. Der Komik und dem Erfolg der Sache hat dies glücklicherweise nie geschadet.
    Die Pause zwischen dem ersten Block und dem Studioblock gab uns Gelegenheit, das bisher Gedrehte in aller Ruhe zu schneiden und gleichzeitig den Studioblock intensiv vorzubereiten. Die Sketche dafür waren zum Teil noch gar nicht geschrieben.
    Das Vertrauen des Senders in Loriot war grenzenlos. Die Sendung wurde geplant, ohne dass ein fertiges Buch vorlag. Ja, es wurden sogar schon Dekorationen nach Loriots Entwürfen gebaut, ohne dass man wusste, was später in diesen Dekorationen genau gespielt werden würde. Loriot hatte bei Radio Bremen Carte blanche, er konnte machen, was er wollte, eine Situation, wie ich sie danach nie wieder erlebt habe.

Loriots sauberer Bildschirm (Loriot 1)
II.

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