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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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bis zur Ballerina bringen werden. « Er drehte sich um, um seine Papiere zu sortieren und seine Brille zu suchen. Ich beugte mich vor, fischte sie unter einem Stapel Akten hervor und gab sie ihm.
    Ich legte ihm meine Hand auf die knochige Schulter. » Vielen Dank, Help « , sagte ich. » Ich bin froh, dass ich zu Ihnen gekommen bin statt zum Google. «
    » Ach, Jingele « , murmelte er ungeduldig. Ich wandte mich zum Gehen, doch er streckte seine zitternde Hand aus, zupfte mich am Ärmel und zog mich zu sich heran.
    » Wenn sie zurückkommt, Ihre Frau, dann denken Sie daran, dass Sie sie bitten, sich jeden Tag auf Ihren Schoß zu setzen. Haben Sie gehört? Das tun Sie, falls Sie überhaupt etwas gelernt haben. Und Sie haben etwas gelernt, nicht wahr? Ach, vielleicht wollen Sie darauf gar nicht antworten. «

31
    A m darauffolgenden Dienstag betrat ich gegen Mittag Helprins Büro. Die Tür stand offen, doch der alte Professor war wie erwartet bereits in seiner Chili-Pause verschwunden.
    » Hallo? « , sagte ich. » Ist jemand da? «
    Judy erschien aus dem anderen Zimmer.
    » Oh, hallo « , sagte ich. » Ist er da? «
    » Er ist beim Mittagessen. «
    » Ach ja, heute ist ja Dienstag « , sagte ich. Sie lächelte schwach.
    » Wie schlagen Sie sich? « , fragte ich.
    » Mir geht es gut « , sagte sie. » Aber ich mache mir Sorgen um ihn. «
    » Um Help? «
    » Er wird allmählich alt, wissen Sie. «
    » Auf mich wirkt er sehr energiegeladen. «
    » Wenn er Sie sieht, kommt er wieder in Schwung « , sagte sie. » Aber in letzter Zeit geht es mit ihm immer schneller bergab. Erinnern Sie sich an das Pflaster, das Sie letztes Mal in seinem Gesicht gesehen haben? Er ist vom Fahrrad gestürzt. Alle fürchten sich davor, etwas zu ihm zu sagen. Sie wissen ja, wie er ist. Seine Exzentrik verschleiert auch manches. Er sollte wirklich nicht allein leben. Er braucht Unterstützung. «
    Ich nickte abwesend. Wir standen einen Moment lang da und schwiegen verlegen. Schließlich deutete ich auf seinen Schreibtisch: » Da ich gerade hier bin, würde ich gerne sein Telefon benutzen, wenn das in Ordnung ist. Mein Mobiltelefon ist tot. «
    Sie zuckte die Schultern und kehrte an ihren Platz zurück. Ich setzte mich in Helprins Sessel und versuchte, den Aktenschrank zu öffnen. Die Tür war verschlossen. Ich zögerte, dann erinnerte ich mich und zog Helprins Schreibtischschublade auf. Die bunte Keksdose, in der er seine Zigaretten aufbewahrt hatte, bevor er mit dem Rauchen aufgehört hatte, um seinen Patienten mit gutem Beispiel voranzugehen, obwohl er wusste, dass sie wohl kaum von seinem guten Beispiel lernen würden, war wie erwartet immer noch da. Darin lag der Schlüssel. Ich öffnete den Aktenschrank mit den in alphabetischer Reihenfolge einsortierten Akten. » K… Ko… « , murmelte ich vor mich hin. Und dann hatte ich es gefunden. Kovacks, M. Ich nahm die Akte heraus und blätterte rasch die Seiten durch bis zur Aufnahmediagnose.
    296.40: Bipolar I.
    Jetzt wusste ich es. Meine Hypothese hatte sich bestätigt, die einzelnen Teile fügten sich zu einem Bild zusammen. Ich klappte die Akte zu, schob sie zurück, verschloss den Aktenschrank, legte den Schlüssel wieder in die Keksdose und wollte gehen – doch dann kehrte ich noch einmal um und ging ins andere Zimmer. Judy hob den Blick von ihren Papieren.
    » Vielleicht können Sie doch etwas tun « , sagte ich. Ich beugte mich über den Schreibtisch, kritzelte etwas auf einen Klebezettel und gab ihn ihr.
    » Rufen Sie diese Nummer an. Fragen Sie nach Brandy Savoia. Erwähnen Sie ruhig meinen Namen. Erklären Sie die Situation. Dort können sie ihm weiterhelfen. «
    » Danke « , sagte sie.
    » Sagen Sie Help, dass ich vorbeigekommen bin. «
    » Das tue ich. «
    Im Auto auf der Rückfahrt schwirrten meine Gedanken durcheinander. Was nun? Ich holte tief Luft und versuchte, strategisch zu denken. Ich konnte Sam direkt ansprechen, und eigentlich hatte ich das bisher auch vorgehabt – sie anzurufen und ihr das Geheimnis ihres zukünftigen Ehemanns zu erzählen, ein Geheimnis, das jetzt auf seltsame Weise auch zu meinem geworden war.
    Doch mir war auch klar, dass es sich dabei um keine sehr gute Idee handelte. Außerdem bestand ja tatsächlich die Möglichkeit, dass sie es bereits wusste. Wahrscheinlich wäre es klug, das zunächst herauszufinden, bevor ich mich einmischte. Aber wie? Ich könnte versuchen, bei einem von Sams seltenen Besuchen mit professionellem Geschick die Antwort

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