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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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Wer dann? «
    » Sam, meine Tochter; sie wird bald heiraten. «
    » Der zukünftige Ehemann – Sie verdächtigen ihn? «
    » Ja. «
    » Jingele, Jingele, was sind Sie leicht zu durchschauen … Verdächtigen Sie ihn mit oder ohne Grund? «
    » Ich weiß es nicht. «
    » Und er war hier Patient? «
    » Vielleicht. Sein Name kommt mir bekannt vor. McKenzie Kovacks. Ich meine, ich hätte ihn hier schon einmal gehört. «
    » Und was wäre, wenn er tatsächlich hier Patient gewesen wäre? «
    » Dann möchte ich, dass Sam das weiß. «
    » Vielleicht weiß sie es bereits. Haben Sie sie gefragt? «
    » Nein. Wir stehen gerade nicht auf besonders gutem Fuß miteinander. Wenn sie herausfindet, dass ich mich einmische, wird sie mich vollends wie Luft behandeln. Ich muss einen Beweis, etwas Konkretes in der Hand haben. «
    » Und Sie möchten, dass ich wegen Ihrer elterlichen Paranoia die Regeln breche und das Vertrauen eines Patienten missbrauche? «
    » Regeln müssen flexibel sein, Help. Wer wüsste das besser als Sie? All ihren Rechten zum Trotz landen Ihre Patienten auf der Straße, Help. Das haben Sie selbst gesagt. Ich habe keine bösen Absichten. Wenn er Sam nicht die Wahrheit sagt, warum sollte ich dann seine Rechte schützen? «
    Helprin schüttelte langsam den Kopf: » Jingele, jetzt haben Sie mich also in eine Position gebracht, in der ich die bestehende Ordnung verteidigen muss? Sie sind gerissener, als ich dachte, oder dümmer, oder beides. «
    » Wenn er unschuldig ist, geschieht gar nichts. Wenn er jedoch etwas verbirgt, hat Sam ein Recht, das zu wissen. Es ist meine Pflicht, sie darüber zu informieren. Halten Sie es für richtig, dass er seiner zukünftigen Frau etwas vorenthält? «
    » Sie wissen nicht, ob er das tut. Sie haben ihn angeklagt und ohne Beweis für schuldig erklärt. «
    » Sie wissen, was ich sagen will. «
    » Heutzutage ist alles digitalisiert. Die Akten sind im Computer. Um da hineinzukommen, müssen Sie einen Code eingeben, Sie hinterlassen eine Spur … «
    » Ich spreche von jemandem, der, falls überhaupt, vor vierzehn, fünfzehn Jahren hier war, als Jugendlicher. Damals wurde alles noch auf Papier festgehalten; erzählen Sie mir jetzt nicht, dass diese Akten nicht irgendwo in einem Archiv schlummern, zu dem Sie einen Schlüssel haben. Wirklich, Help. Wie auch immer, Sie müssten mir nur diese Information beschaffen. Dann spreche ich mit Sam, falls es etwas zu besprechen gibt. Ich übernehme die Verantwortung. Ich erzähle ihr, dass ich ein paar Eigenheiten an ihm wahrgenommen habe, die mich Verdacht schöpfen ließen. Meine Rechtfertigung lautet elterliche Paranoia oder etwas Ähnliches. Ich werde sie bitten, ihn wenigstens darauf anzusprechen. «
    » Das alles können Sie tun, auch ohne Beweise zu haben « , sagte er.
    » Ohne Beweise verwickle ich uns beide unnötig in diese Sache. Ich muss Bescheid wissen. «
    Er saß eine Weile da, ohne etwas zu sagen, und drehte einen Bleistift zwischen seinen knochigen Fingern hin und her.
    » Ihre Frau « , sagte er schließlich, » haben Sie ihr von dieser Sache erzählt? «
    » Meine Frau hat mich verlassen. «
    Helprin nickte; er wirkte nicht überrascht. Das Leben im Krankenhaus, vielleicht das Leben an sich, hatte ihm das Überraschtsein ausgetrieben.
    » Nun, mein Freund, das macht vieles klarer, nicht wahr? «
    » Es macht überhaupt nichts klarer. Im Gegenteil « , sagte ich.
    » Ach « , er lehnte sich zurück und kratzte sich am Kinn. Dann deutete er mit zitterndem Zeigefinger auf mich.
    » Ich habe fünfundfünfzig Jahre mit meiner Frau zusammengelebt. Und lassen Sie mich Ihnen eines sagen. Sie kam jeden Tag und setzte sich auf meinen Schoß. Jeden Nachmittag tranken wir zusammen Tee und aßen Kekse dazu; die hat sie auch gebacken, wissen Sie. Dann kam sie und setzte sich auf meinen Schoß. Fünfundfünfzig Jahre lang. «
    » Ich denke, dieser Rekord ist Ihnen sicher « , sagte ich. » Ich bin in dieser Hinsicht keine Bedrohung für Sie. «
    » Was ich sagen will, ist Folgendes « , sagte er. » Man weiß nicht, ob man eine gute Ehe führt. Man weiß es erst am Ende. Mit etwas Glück haben Sie am Ende noch alle Tassen im Schrank. Dann können Sie zurückblicken und sich fragen: ›Hatte ich eine gute Ehe?‹ Ich habe diesen Punkt erreicht, Jingele. Ich kann zurückblicken. Ich vermisse meine Frau jeden Tag. Ich warte jeden Nachmittag. Ich warte darauf, dass sie kommt … und sich auf meinen Schoß setzt. Ach « , seufzte er und

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