Der glücklose Therapeut - Roman
haben musste, war es dieser, den sie beschlossen hatte, in ihrer Tasche mit sich herumzutragen. Ich dachte, dass ich es niemals schaffen würde, diesen Satz aus meinem Gedächtnis zu löschen. Etwas in mir war beschmutzt, zerbrochen. Und ich wusste, wenn etwas einmal zerbrochen war, wurde es nie wieder ganz, auch nicht, wenn man es flickte.
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H ier steht, Privatunterricht für zwei « , sagte Becca Lawrence, meine Tauchlehrerin von Island Divers, einigermaßen überrascht. » Was ist passiert? Haben Sie Ihre Frau schon jetzt auf dem Flohmarkt verloren? « Ihr Lächeln strahlte auf und erstarrte. Vielleicht erkannte sie etwas in meinen Augen, denn sie streckte sofort die Hand aus, berührte mich am Handgelenk und sagte: » Oh, es tut mir leid, ich rede manchmal einfach drauflos. Ich hoffe, es geht ihr gut. «
» Es geht ihr gut « , sagte ich.
» Ist sie unterwegs? «
» Nein. Sie ist nicht unterwegs. «
» Dann sind Sie allein? « , fragte sie und kehrte zu einem geschäftsmäßigen Ton zurück.
» Ja. Sie geben auch Einzelpersonen Privatunterricht, oder nicht? «
» Ich gebe jedem Unterricht, der dafür bezahlt. Und wer im Voraus bei der Buchung bezahlt, bekommt unter Wasser übrigens zwanzig Minuten extra. Sind Sie schon einmal mit Geräten getaucht? «
» Das ist Jahre her. «
» Erinnern Sie sich daran, wie man atmet und sich im Wasser treiben lässt? «
» Ich hoffe es. «
» Großartig. Das ist schon mal die halbe Miete. «
» Und die andere Hälfte? « , fragte ich.
» Nun, zuallererst müssen Sie unter Wasser gegen Ihre ursprüngliche Intuition handeln. Falls Wasser in Ihre Maske oder Ihre Kehle gelangt, könnten Sie in Panik geraten, und Ihr erster Impuls wäre, so schnell wie möglich aufzutauchen, um nach Luft zu schnappen. Genau das dürfen Sie nicht tun. Sie dürfen nicht in Panik geraten, und Sie dürfen nicht zu schnell zur Wasseroberfläche aufsteigen. Denken Sie daran, widerstehen Sie Ihrem Impuls und geraten Sie nicht in Panik. Wenn Sie aufsteigen, dann nie schneller als Ihre Luftblasen. Und am allerwichtigsten – haben Sie Spaß! Ich bin die ganze Zeit an Ihrer Seite. Blickkontakt, ja? «
» Ja « , sagte ich.
Der Plan war gut gewesen. Am Tag nach unserer Ankunft wollten wir bei einem Privatlehrer Tauchunterricht nehmen, nur wir beide. Danach wollten wir hinausfahren und bei dem gesunkenen Schiffswrack tauchen, von dem Alex im Internet gelesen hatte. Am Tag darauf wollten wir mit einem kleinen Flugzeug nach Middle Caicos übersetzen, ein winziges, mehr oder weniger unbewohntes Eiland. Alex hatte im Netz ein kleines Strandhaus gefunden, von einem Zahnarzt aus Florida, der sich damit einen Traum verwirklicht hatte und es zu einem vernünftigen Preis an Menschen wie uns vermietete, die etwas an einem stillen, unverdorbenen Strand suchten. Dort sollten wir drei Nächte bleiben. Auf Empfehlung des Zahnarztes hatte Alex sich entschieden, Carew anzuheuern, einen einheimischen Fischer, der uns als Reiseführer dienen sollte.
Ja, es war ein guter Plan gewesen. Doch nun stand ich hier allein und beobachtete, wie Becca Lawrence sich über ihre Ausrüstung beugte und sie sorgfältig in ein kleines Boot lud. Ich konnte den Blick nicht von ihren langen, muskulösen Armen, schmalen Hüften und ihrem starken, gebräunten Rücken abwenden. Ihre Bewegungen waren effizient und präzise, ohne jedes Gehabe. Vielleicht lag es an ihrem Beruf – Sporttauchen ist riskant, das erfordert vom Führer ein gewisses Maß an Nüchternheit. Andererseits war mir klar, dass sie keine Einheimische war, dass sie von anderswo hierhergekommen war, denn sie besaß diese ungestüme Energie, wie Immigranten und evangelikale Christen sie haben. Ich erkannte an ihr auch eine subtile Empfindsamkeit und dachte, dass Becca Lawrence vor zwanzig Jahren, in ihrer Jugend, einmal eine schöne junge Frau gewesen sein musste
» Ich lege Ihnen schon hier alles an; wenn Sie bereit sind, fahren wir zum Riff « , sagte sie. » Das Wasser ist zurzeit klar. Sie haben Glück. Der Wind ist schwach. Hier, kommen Sie, ich helfe Ihnen, alles anzulegen. «
Ich schulterte meine Sauerstoffflaschen, und sie ging um mich herum, zog und zupfte und zurrte fest. Ihre Hände auf meinem Taucheranzug waren flink, ruhig und kräftig. Und so geschah es ausgerechnet hier – auf diesem wettergegerbten Kai, mit meinen schwarzen Flossen, der Tauchermaske auf der Stirn –, durch diese muskulöse Frau, die zart und zugleich robust war und deren Haar durch
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