Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
Vom Netzwerk:
herauszufinden, ohne eine direkte Frage zu stellen. Doch der Intuition meiner Tochter war mein professionelles Geschick nicht gewachsen. Sie hatte – wie alle Psychologenkinder – einen präzisen Radar, mit dem sie aufspürte, wenn sich Klientensprache in die Elternsprache einschlich. Und selbst wenn Sam nichts über die Vergangenheit ihres Verlobten wusste, so würde sie sich nach meinen Enthüllungen höchstwahrscheinlich gegen mich wenden, nicht gegen ihn. Dann würde sie sich mit ihrer Mutter verbünden.
    Alex. Vielleicht könnte ich zuerst mit Alex sprechen, überlegte ich. Bei diesem Gedanken ging mir für einen Moment das Herz auf, wie ein Fenster an einem Frühlingsmorgen. Jahrelang hatte ich mich bei wichtigen Entscheidungen mit ihr beraten. Sie war meine Frau, meine Vertraute gewesen. Aber jetzt, jetzt … Wie könnte ich ihr trauen? Ausgerechnet ihr? Ausgerechnet jetzt? Dennoch sehnte ich mich danach, sah aber keine Möglichkeit. Meine Gedanken drehten sich im Kreis und landeten geschlagen wieder am Ausgangspunkt, und ich beschloss, mich direkt an Sam zu wenden. Ich wollte den richtigen Moment abwarten.
    Doch wie zu erwarten war, stellte der richtige Moment sich nicht ein, als er hörte, dass er gebraucht wurde.

32
    Z unächst wollte ich die Reise ganz absagen. Tatsächlich hatte ich sie im Scherbenhaufen meiner Ehe völlig vergessen. Doch dann erhielt ich eine Mail von der Charter-Fluggesellschaft, die mich daran erinnerte. Das Datum, mit der Zeichnung einer Palme und einem roten Smiley markiert, prangte auf dem Küchenkalender, als ich umblätterte. Offenbar war die Zeit – die sich seit Alex’ Weggang träge und beißend angefühlt hatte – doch irgendwie verstrichen. Der Tag der Abreise rückte näher.
    Im vollbesetzten Flugzeug zu den Turks- und Caicos-Inseln wisperte ein frischer Wind in meinem matten Laub. »Aus der richtigen Tat entsteht ein gesundes Gefühl.« Die Passagiere um mich herum – Familien mit kleinen Kindern, aufgeregte frischverheiratete Paare, Abenteuertouristen auf dem Weg zu neuen Ufern – wirkten alle munter und zufrieden. Eine freundliche Stewardess brachte mir ein Glas Wein. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht wusste, aus welchem Anbaugebiet dieser Wein stammte, und empfand eine sofortige Verbundenheit mit ihr. Ich dankte ihr mit einem Lächeln und lehnte mich gegen das Fenster. Ich war erleichtert, aus dem Haus zu kommen, das seit Alex’ Weggang schmuddelig und unordentlich geworden war – denn sie hatte ihre Sauberkeit und Ordnungsliebe mitgenommen und mich mit meinen schlechten Angewohnheiten, meiner Nachlässigkeit und Schlampigkeit allein zurückgelassen. Vielleicht waren es auch gar keine Angewohnheiten, sondern einfach nur kindische Reaktionen. Denn jedes Mal, wenn ich eine ihrer früheren Aufgaben in Angriff nahm – etwas zu planen, zu kochen oder mich ganz allgemein um dieses oder jenes zu kümmern –, machte sich sofort eine eiskalte Wut in mir breit.
    Ich empfand ein Gefühl der Erleichterung, so zwischen Himmel und Erde, in einem Ozean aus Luft, der diese schimmernde Metallkapsel auf geheimnisvolle Weise in der Schwebe hielt. Ich legte die Zeitung neben mir auf den Sitz, der als einziger im ganzen Flugzeug leer geblieben war, und schlief ein.
    Ein staubiges Taxi brachte mich durch die Straßen von Provo zu dem kleinen Hotel, das Alex vor Wochen gebucht hatte. » Ich habe etwas ganz nah am Meer gefunden « , hatte sie danach gesagt, » aber nicht in einem dieser großen Resorthotels. Ein bescheidenes kleines Haus, wie wir es mögen. Zu einem guten Preis, in Fußnähe zum Hafen und den Restaurants am Meer. Man sagt, es gebe dort unglaubliche Sonnenuntergänge. «
    » Wie wir es mögen.«
    Ich schaute durch das offene Taxifenster und kniff in dem intensiven Licht die Augen zusammen. Provo kam mir wie ein lärmender Bauplatz vor, die Anzeichen eines Immobilienbooms waren überall offensichtlich. Lastwagen und sich drehende Kräne wirbelten Staub auf, und entlang der geflickten Straße, die am Ufer entlangführte, zogen sich reihenweise Rohbauten. Bei dem Hotel, das Alex ausgesucht hatte, handelte es sich um ein verblichenes zweigeschossiges Gebäude am Stadtrand, das aussah wie eine Armeebaracke.
    An der winzigen Rezeption erhob sich lächelnd eine Schwarze. » Willkommen im Magic Reef Hotel. Ich sehe, dass Sie ein Doppelzimmer gebucht haben « , sagte sie nach einem Blick auf den Bildschirm.
    » Meine Pläne haben sich geändert, aber ich behalte das

Weitere Kostenlose Bücher