Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
Vom Netzwerk:
hatte. Er bedeutete mir, auf dem Passagiersitz Platz zu nehmen, und verstaute meinen Koffer in einem Hohlraum unter dem rechten Flügel. Dann kletterte er, vor sich hinpfeifend, ins Cockpit und legte den Gurt an. Er stellte den Motor an, und wir rollten langsam die Startbahn entlang, während er mit der linken Hand die Tür aufhielt.
    » Wir brauchen ein bisschen frische Luft « , rief er über den Motorenlärm hinweg, » es gibt keine Klimaanlage. «
    Dann lenkte er sein Flugzeug geradeaus, knallte die Tür zu, und Sekunden später waren wir in der Luft und schwebten über der türkisfarbenen Lagune dahin. Die hingestreuten Lego-Häuser und die gewundene grüne Küstenlinie zogen sich bis zum hellen Horizont. Fünfzehn Minuten später landeten wir auf Middle Caicos. Der Flugplatz bestand aus einem kochend heißen Asphaltstreifen, einer baufälligen Asbesthütte und einem verblichenen Windsack, der lustlos vor sich hinflappte. Zwei weitere Spielzeugflugzeuge parkten neben der Rollbahn und glitzerten in der Sonne. Der Junge hatte die Räder seines Flugzeugs wie nebenbei behutsam auf der Rollbahn aufgesetzt, wie ein Skater bei der Landung nach einem Routinesprung. Er wendete, hielt vor dem verlassen wirkenden Terminal und sprang heraus, um meinen Koffer zu holen. Ich kletterte ungeschickt aus meinem Sitz und schüttelte ihm überrascht und dankbar die Hand. Dann zerrte ich meinen Koffer zu dem kleinen Parkplatz, wo jemand, von dem ich annahm, dass es sich um Carew handelte, neben einem weißen Pickup stand und wartete. Er war dunkelhäutig, groß und massig. Er musterte mich mit warmem Blick.
    » Carew « , sagte er und schüttelte mir herzlich die Hand.
    » David « , sagte ich.
    Er nahm meinen Koffer und lud ihn in den Pickup. » Wo ist die Missis? « , fragte er.
    » Ich bin allein « , sagte ich.
    Er kratzte sich sein von grauen Fäden durchzogenes Ziegenbärtchen. » Neue Pläne? «
    » Nein. Dieselben Pläne. «
    Er nickte. Falls er überrascht war, zeigte er es nicht. Ich schätzte, dass er es auch nicht war. Ich mochte ihn sofort. Sein federnder Gang und seine in sich ruhende Art gehörten zu einem Mann, der sich in seinen Sandalen und seinen Shorts wohlfühlte. Auf der Fahrt wich er mühelos den Schlaglöchern aus; sie waren längst auf seiner inneren Landkarte verzeichnet. Von dem Moment, als er mir den Koffer abnahm, hatte ich das Gefühl, er sei der Boss. Ich protestierte nicht, sondern ließ mich fallen.
    Carew fuhr die schmale Uferstraße entlang, die von schroffen Felsen begrenzt war. Bald kamen wir zu einer würfelförmigen weißen Strandvilla. Er brachte meinen Koffer ins Haus und zeigte mir alles. Danach gingen wir hinunter zum Strand. Carew hob eine große Miesmuschel auf und deutete auf einen rechteckigen Spalt an ihrer Seite. » Hier klopfen Sie mit dem Hammer drauf « , sagte er, » und dann führen Sie von unten her ein Messer ein und drehen es ein bisschen, und die Muschel rutscht heraus. Wir kochen sie. Schmeckt köstlich. Morgen zeige ich es Ihnen. « Er lächelte einigermaßen genüsslich. » Morgen früh fahren wir mit dem Boot auf die Lagune hinaus und holen uns ein paar dicke Hummer « , sagte er. Dann deutete er auf ein winziges, ungefähr vierhundert Meter vor unserem Strand liegendes Inselchen, wo sich an spitzen Felsen gewaltige Wellen brachen. » Wenn morgen Nachmittag die Flut ausläuft, werden Sie eine Sandbank erkennen, die diese Insel mit dem Strand verbindet. Auf dieser Sandbank können Sie hinüberwandern. Wenn Sie allerdings zu lange bleiben, steigt das Wasser wieder. Auf der anderen Seite der Lagune liegt das offene Meer mit starken Strömungen. « Er musterte mich von Kopf bis Fuß. » Ich empfehle Ihnen, nicht schwimmen zu gehen, und definitiv nicht allein « , sagte er. » Ich zeige Ihnen auch noch den Rest von Middle. Wir haben vielleicht zweihundert Einwohner. Die meisten davon leben im Dorf. « Er deutete die Straße entlang. » Der Bau einer Brücke von der großen Insel ist in Planung, um es den Touristen leichter zu machen. Heute haben wir hier nichts. Keine Touristen, kein Geld. Aber bei Sonnenuntergang ist es schön; eine Menge Stechmücken, aber schön. Falls Sie mich brauchen, können Sie mich von dem Telefon im Haus aus anrufen. Die Nummer habe ich auf den Küchentresen gelegt. «
    Ich bedankte mich bei ihm, und er machte sich auf den Weg zu seinem Pickup und fuhr mit einem lässigen Winken davon.
    Als die Sonne unterging, ging ich an den Strand. Das Sonnengelb

Weitere Kostenlose Bücher