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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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gar nicht anders, als sie zu benutzen. In meinen Plastiksandalen spazierte ich über den weichen, wassersatten Sand. Als ich die Insel erreichte, kletterte ich auf die scharfkantigen Felsen, eine Barriere zum offenen Meer. Unter lautem Kreischen flog ein Schwarm weißer Vögel mit schwarzen Schnäbeln über mich hinweg. Hinter einem der höchsten Felsen fand ich eine Stelle, wo der Sand trocken war, breitete mein Handtuch aus und legte mich hin, den Rucksack unter dem Kopf.
    Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen, es gab nur das Rauschen der Wellen, die gegen die Felsen brandeten, und gelegentlich über mir einen Vogelschrei. Ich schloss die Augen und streckte die Hand aus, dorthin, wo eigentlich meine Frau hätte liegen sollen, ihr glatter, geschwungener Rücken. Jetzt fiel meine Hand auf den feuchten, körnigen Sand. Meine Finger gruben sich hinein. Langsam füllte sich auch mein Kopf mit Sand. Meine Gedanken wurden schwer. Ich schlief ein. Erst als mir Salzwassergischt ins Gesicht spritzte, wurde ich wieder wach. Ich setzte mich auf. Ich war auf allen Seiten von Wasser umgeben. Es kam mir vor wie ein Scherz, vielleicht auch wie ein Zeichen. Ich sprang auf und betrat den überspülten Damm, stapfte platschend und in den weichen Sand einsinkend durch das seichte Wasser, kämpfte mich zurück.
    Am nächsten Tag erschien Carew, frisch geduscht, rasiert und bester Laune. » Heute führe ich Sie zu einem ganz besonderen Ort « , sagte er. Wir fuhren die unbefestigte Uferstraße entlang und bogen schließlich auf eine schmale Teerstraße ab, die sich durch dichtes Unterholz wand und später an Sanddünen vorbeiführte. Nach einer scharfen Rechtskurve hielt Carew am Straßenrand.
    » Kommen Sie « , sagte er.
    Wir folgten einem schmalen Pfad durchs Gebüsch, bis wir an einen kleinen, vollkommen runden Teich gelangten, der dunkelblau und völlig still dalag. Dichte Vegetation umgab dieses verborgene Wasserrund, beschützte und behütete es.
    » Cottage Point « , sagte Carew, » unsere geheime Wasserstelle; unmittelbar am Meer gelegen, aber hier haben wir Süßwasser. «
    Ich beugte mich vor und schaute ins Wasser. Es war still und klar, doch ich konnte nicht bis zum Grund sehen.
    » Tief? « , fragte ich.
    » Wir glauben, der Teich hat keinen Grund « , sagte er. » Sie können schwimmen gehen, wenn Sie wollen. «
    Ich zog Hemd und Schuhe aus, tauchte ein und schwamm bis zur Mitte des Teichs. Ich hatte das Gefühl, mich in einem klaren blauen Auge treiben zu lassen, das niemals blinzelte. Carew saß auf einem flachen Felsen am Ufer, die Augen geschlossen.
    » Glauben Sie daran? « , rief ich ihm zu.
    » Woran? «
    » Dass er keinen Grund hat. «
    » Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, wenn er einen Grund hat, hat ihn noch nie jemand gesehen oder berührt. «
    Ich schaute hinunter in das zur Tiefe hin immer dunkler werdende Blau, und plötzlich stieg Panik in mir auf. Es fühlte sich riskant an, sich auf einem grundlosen Teich treiben zu lassen, ein kleiner Fleck über einer unendlichen Tiefe. So schnell ich konnte, schwamm ich ans Ufer, stieg aus dem Wasser, setzte mich neben Carew auf den warmen Felsen und ließ mich von der Sonne trösten und trocknen. Wortlos saßen wir nebeneinander.
    Carew nahm eine große Mango aus der Tasche und schälte sie mit einem kleinen Taschenmesser. Als er fertig war, reichte er mir ein Stück. Er hatte die Knie an die Brust gezogen, und mir fiel an seiner linken Ferse eine große Narbe auf. » Da fehlt ein Stück « , sagte er mit einem zufriedenen Lächeln.
    Ich nickte. » Was ist passiert? «
    Er sah mich an. » Wollen Sie das wirklich wissen? «
    » Ja. «
    » Vor Jahren bin ich hinausgefahren, um im Tiefen zu fischen. Mein Motor fiel aus. Ich wurde vom Wind abgetrieben. Es dauerte eine Woche, bis sie mich auf dem Wasser fanden. «
    » Und die Ferse? «
    » Ich habe ein Stück abgeschnitten und als Köder benutzt. So habe ich überlebt. «
    » Das glaube ich Ihnen nicht « , sagte ich. » Das ist eine Legende. «
    » Sie können es glauben oder nicht, Mister, das ist Ihre Sache « , sagte er ruhig. » Sie haben gefragt. Ich habe geantwortet. «

36
    B ei Sonnenuntergang trafen wir uns am Hafen. Becca trug enge Jeans und eine helle, ärmellose Bluse. Sie strahlte, als sie mich sah.
    Wir saßen an einem Tisch mit Blick aufs Meer und bestellten Bier. Vom Wasser her wehte eine sanfte, aber stetige Brise.
    » Du bist wieder da « , sagte sie.
    » Ich bin wieder da. «
    » Wie war es

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