Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
Vom Netzwerk:
auf Middle? Ein Paradies, nicht wahr? «
    » Ja « , sagte ich, » unglaublich schön, eigentlich unwirklich. Und nachts die Sterne … das hättest du sehen sollen. «
    » Ich habe es gesehen « , lächelte sie.
    » Wir haben nicht viel Zeit « , sagte ich.
    » Dann sollten wir sie nicht vergeuden « , sagte sie.
    » In Ordnung. Du fängst an. «
    » Stell mir eine Frage. «
    » Warum hast du eingewilligt, dich mit mir zu treffen? « , fragte ich.
    Sie zögerte kurz und sah mich forschend an. » Ich weiß es nicht. Du warst anders als all die glücklichen, strahlenden Touristen … Wir haben es hier nicht oft mit Melancholie zu tun. «
    » Hmm … okay « , sagte ich. » Ich stelle noch eine zweite Frage. Wie hat es dich hierher verschlagen? «
    » Nun, in einem anderen Leben war ich Investmentbankerin. An der Wall Street. Businesskostüme, Aktenkoffer, Geld, Kokain. Das ganze Theater. Mein Dad ist Banker, verstehst du … Nach sechs Jahren habe ich festgestellt, dass es für mich nicht das Richtige ist. Und mich entschieden wegzugehen. «
    » Was war für dich nicht das Richtige? «
    Sie überlegte kurz. » Ich weiß es nicht « , antwortete sie dann. »Es hat nicht zu mir gepasst. Ich habe nicht dorthin gepasst. Das spürt man, oder nicht? Es hat sich falsch angefühlt. Im Nachhinein kann man alle möglichen Erklärungen dafür finden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Erklärungen es wirklich treffen. Tatsache ist einfach, dass sich plötzlich alles verändern kann, die Art und Weise, wie man die Dinge sieht … «
    » Ja « , sagte ich. » Die Viktorianer hielten die Natur für eine pastorale Idylle, bis Darwin des Weges kam und ihnen zeigte, dass es sich um eine wilde Schlacht ums Überleben handelte … «
    » Ich ging zur Arbeit, fuhr mit dem Aufzug in den achtundsiebzigsten Stock und saß den ganzen Tag in einem Büro « , sagte sie. » Irgendwann dachte ich, dass der Mensch nicht dafür geschaffen ist, den ganzen Tag in einem Turm zu sitzen, außer vielleicht, um etwas zu bewachen. Ich saß Tag für Tag in diesem Turm, hinter Papieren und Computerbildschirmen verschanzt. Wenn ich mal aus dem Fenster schaute, sahen die Menschen dort unten aus wie Ameisen und die Autos wie Spielzeuge. Um mich herum noch mehr Türme. Ich fand es seltsam, so zu leben. Es verändert etwas in einem, glaube ich. Auf jeden Fall hat es etwas in mir verändert. Wir sind dafür geschaffen, unsere Füße in den Sand zu setzen. Wir sind dafür geschaffen, anderen in die Augen zu sehen, oder nicht? Wenn du vergisst, dass du dein Leben auf einer Turmspitze verbringst, dann ist das ein Zeichen, dass du Schaden genommen hast. Aber auch wenn du dich daran erinnerst, ist es verstörend; um sich herum nur Türme zu sehen und Ameisen und Spielzeug. Ich wollte das Meer sehen. Deshalb bin ich weggegangen. Ich hatte ein bisschen Geld gespart. Und habe nach einem anderen Ort Ausschau gehalten und ihn gefunden. «
    » Du hast einen schönen Ort gefunden « , sagte ich. » Wie lange bist du schon hier? «
    » Seit sieben Jahren, beinahe acht. «
    » Allein? Oder ist dein Ehemann noch unterwegs vom Flohmarkt? «
    Sie lachte. » Kein Ehemann. «
    » Gab es einen? «
    » Es gab keinen Ehemann. Es gab einen Mann. «
    » Gab? «
    » Es gab eine Geschichte. Und es gab ein Kind. Es gibt ein Kind, obwohl er mittlerweile kein Kind mehr ist. Er studiert an der McGill University in Kanada. «
    » Was studiert er? «
    » Psychologie. Er sagt, er müsse seine Mom verstehen « , sagte sie lachend.
    » Ein gutes Fach « , sagte ich, » aber um seine Eltern zu verstehen, sollte man Mystizismus studieren. «
    Sie lachte und sah mich an: » Kinder? «
    » Eine Tochter « , sagte ich. » Auch kein Kind mehr. Sie studiert Sozialpädagogik. «
    Becca nickte. » Und du? «
    » Ich? «
    » Was tust du im wirklichen Leben? «
    » Ich bin Psychologe. «
    » Ah. Wenn die Leute das hören, bitten sie dich, ihre Konflikte mit ihren Eltern zu lösen. «
    » Ja. Woher weißt du das? «
    » Mich fragen sie nach guten Investitionsmöglichkeiten, wenn sie von meiner Vergangenheit erfahren. «
    » Ja. Aber das ist schwierig. Sie bitten uns um Hilfe, trauen aber dieser Hilfe, die wir ihnen anzubieten haben, nicht so recht. Jeder hält sich schließlich selbst für einen Psychologen, weil er Gefühle hat und sich Gedanken macht. Sie alle haben auch Atome und Moleküle, aber das bringt sie nicht auf die Idee, sie seien Physiker oder Biologe. «
    Sie lachte: » Sag deinen Klienten, sie

Weitere Kostenlose Bücher