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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Shpancer
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vielleicht weil ich bereits angefangen hatte – dank des Alkohols, dank des Anblicks ihrer gebräunten Schultern –, die Musik zu hören, nicht die Worte. Vielleicht hatten auch die Worte angefangen, wie Musik zu klingen. Ich sah sie schweigend an, und sie erwiderte meinen Blick.
    » Was ist mit deiner Frau passiert? « , fragte sie schließlich.
    » Sie hat einen anderen gevögelt « , sagte ich.
    » Das tut weh. «
    » Ja. Es tut weh, sie sich mit einem anderen vorzustellen. So richtig verstehe ich es nicht. Doch eigentlich ist es die Lüge, die noch mehr wehtut. Der Gedanke, dass ich lange Zeit ein Spiel mitgespielt habe, ohne die Regeln zu kennen. Verstehst du? Die Lügen … Das erschüttert einen in tiefster Seele. Schließlich hat sie währenddessen die ganze Zeit diese Reise geplant. «
    » Und trotzdem bist du gekommen. «
    » Wie meinst du das? «
    » Die meisten Leute hätten abgesagt. «
    » Ich bin nicht die meisten Leute. «
    » In der Tat « , murmelte sie und lächelte in sich hinein.
    Danach schwiegen wir. Wir blickten aufs Meer, das mit der Dunkelheit verschmolzen war und von dem nur ein gedämpftes Rauschen zu hören war.
    » Warum hat sie es getan? « , fragte sie.
    » Was getan? «
    » Einen anderen gevögelt. Dich verlassen. «
    » Warum … warum tut man etwas? Gleich nachdem sie weg war, habe ich mir diese Frage gestellt. Und was für Antworten habe ich gefunden? Die üblichen: Vielleicht habe ich ihr nicht gegeben, was sie braucht. Aber inzwischen kommen mir all diese Gedanken sehr überheblich vor. Vielleicht ging es überhaupt nicht um mich. Vielleicht ging es um sie, verstehst du. Diese Frage nach dem ›Warum‹ kommt mir inzwischen kindisch vor. «
    » Du bist wütend « , sagte sie.
    » Ja. «
    » Worüber? «
    » Worüber? Wie meinst du das? «
    » Bist du sauer auf sie, also auf den Menschen, der sie ist, oder bist du sauer über das, was sie dir angetan hat? «
    » Kann man diese beiden Fragen voneinander trennen? «
    » Natürlich. Du musst sie voneinander trennen. Auch ein kluger Mensch kann mal etwas Dummes anstellen. «
    » Ich weiß nicht « , sagte ich. » Die Wut … ist unspezifisch. Für mich ist diese Wut kein Schatten; sie ist dunkle Nacht. Die sich auf alles gelegt hat; auf sie, auf ihr Tun … auf mich und die Welt … auf alles. «
    Sie nickte, wandte sich an eine Kellnerin, die gerade vorbeikam, und bestellte eine weitere Runde. Dann lehnte sie sich zurück und sah mich an. » Ich kenne das aus Erfahrung « , sagte sie schließlich.
    » Was? «
    Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und hielt mit ruhigen Händen ihr Glas. » Jetzt hör mir zu « , sagte sie. » Ich erzähle dir etwas, was du über Frauen nicht weißt. «
    Ich beugte mich vor. Ich wollte ihr sagen, dass eine solche Unterhaltung eine ganze Nacht dauern konnte und noch viele weitere Nächte. Ich wollte ihr sagen, dass ich außerdem dringend etwas über sie im Besonderen wissen wollte, wenn möglich noch bevor es dämmerte. Aber ich sagte nur: » Ja, ich höre. «
    » Die Tatsache, dass deine Frau dich verlassen hat, ist das eine. Das andere ist: Was passiert als Nächstes? Wenn sie an ihrem neuen Partner festhält und es dabei bleibt, dann ist das für dich zwar schmerzlich, weil du einen tollen Menschen verloren hast, doch sie bleibt ein toller Mensch, und du musst sie ziehen lassen. Wenn sie ihn aber auch betrügt und sich einen anderen nimmt, dann solltest du froh sein und dir eingestehen, dass du schon zu Anfang einen Fehler gemacht hast, als du dich für sie entschieden hast. Aber wenn sich die Affäre mit ihm erschöpft, wenn sie ihn aufgibt und allein bleibt, dann musst du dich aufs Pferd schwingen, hinter ihr herreiten und sie nach Hause zurückholen. «
    Ich lachte. » Und du, was ist mit dir? «
    Sie beugte sich vor. » Ich habe meinen Mann betrogen, den Vater meines Kindes. Ich habe ihn betrogen und verraten. Aber seit damals « – sie sah mir in die Augen –, » seit damals lüge ich nicht mehr. Ich habe etwas gelernt. Und das ist vielleicht der Grund, warum ich immer noch allein bin. «
    » Du bist nicht allein « , sagte ich. » Du bist mit mir. «
    Wir schwiegen eine Weile und saßen vorgebeugt an dem wackligen Tisch.
    » Das Meer gibt einem ein gutes Gefühl, nicht wahr? « , sagte ich schließlich.
    » Bei mir funktioniert es. «
    » Wie kommt das? Was hat es mit dem Meer auf sich? «
    Sie sah mich mit einem leisen, gedankenverlorenen Lächeln an. » In deinem Alter solche Fragen zu

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