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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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Gott.« Großburg stützte sich auf der Kante ihres Schreibtisches ab. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen.
    »Grüß Gott! Grüß Gott!«, donnerte es von weitem her. Ansonsten war es leise im Großraumbüro, gespenstisch leise. Eilfertiges Nicken überall, und die Mitarbeiter erhoben sich von ihren Plätzen. Der Aufsichtsratsvorsitzende war eingetroffen, winkte wie ein Kaiser zu seinem Volke. Manchen gewährte er einen Händedruck, manchen eine erhobene Augenbraue.
    »Grüß Gott, grüß Gott!«
    Niemand im Besondern galten seine Worte. Auch nicht der Allgemeinheit. Gedacht war der Gruß ausschließlich als nicht zu überhörendes Signal. Es glich einem Nebelhorn, das in alle Glieder fährt und etwas Großes, etwas sehr Großes und sehr Mächtiges ankündigt. Der alte Großburg kam näher.

    Seine Tochter atmete durch, fahrig begann sie, Unterlagen auf ihrem Tisch zu ordnen. Rainer Torberg verließ das Büro kommentarlos und in einer Zurückhaltung, die für gewöhnlich nicht an ihm zu beobachten war. Lara Lichtenfels folgte, rosawangig wie sonst kaum. Es galt, das Feld zu räumen und dem alten Patriarchen freudig lächelnd die Ehre zu erweisen, ihm entgegenzukommen in der Art, wie er es erwarten durfte. Dimsch hielt sich hinter Lara Lichtenfels und überlegte, ob er den Aufsichtsratsvorsitzenden auch auf die neue,schöne Art begrüßen sollte, die Hände gefaltet, eine sanfte Verbeugung machend, lächelnd. Im Passschritt kam Großburg geradewegs auf sie zu, streifte mit einem Blick Torberg, nahm nicht dessen ausgestreckte Hand, lächelte Lichtenfels ein sparsames Lächeln zu. Dimsch wollte Irene Großburg, die er knapp hinter sich fühlte, nach vorne lassen, da riss ihr Vater die Arme in die Höhe und schrie, ja jauchzte vor Vergnügen.
    »Dimsch! Sie hier! Welch Überraschung! Hervooooorragend!« Er umfing Sebastian Dimschs Hand mit der seinen, schüttelte sie und schüttelte sie, krächzte erneut: »Hervooooorragend Dimsch!« Durch seine eigenwillige Aussprache flossen das Adjektiv
hervorragend
und der Name
Dimsch
ineinander, ganz so, als handle es sich um ein neues Wort, das etwas ungekannt Phantastisches beschreibt. Großburg krähte sein »Hervoooorragendimsch!« abermals, noch lauter als zuvor, deklamierte es mit einem Ausdruck im Gesicht, als wäre er knapp davor, auszurasten, als versetzte ihn diese Silbenfolge in eine Sphäre des schieren Entzückens. Es war ein Taumel, ein Rausch, dem Großburg sich hingab nach der Herzenslust eines Irren.
    »Hervoooorragendimsch!«
    Rundum stand respektvoll, doch verunsichert, die Belegschaft, versuchte dem Schauspiel einen tieferen Sinn abzugewinnen, denn dass der Aufsichtsratsvorsitzende Unsinn trieb, kam nicht in Betracht.
    »Hervoooorragendimsch!«
    Nach der ein oder anderen Wiederholung seiner Wortkreation und dem allmählichen Verebben des damit einhergehenden Glücksgefühls ließ Großburg zwar Dimschs Hand los, doch keineswegs von ihm ab. Nun ging er dazu über, ihm, etwas erschöpft, Schulter und Oberarm zu tätscheln.
    Eine gefühlte Ewigkeit später erst entließ er ihn – dankbaren, ja glücklichen Blicks und mit abschließendem Klaps.
    »Hallo, Vater«, sagte Irene Großburg.

17
    Seit dem Auftritt des Aufsichtsratsvorsitzenden, seit diesem Einzug des apokalyptischen Reiters war ein Gerücht in der Versicherung zur Gewissheit aller geworden: Dimsch, Sebastian Dimsch, war der neue starke Mann des Alten.
    Nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende – manche hätten später geschworen: unter Trommelwirbel und Fanfarenstößen – das Großraumbüro verlassen hatte, mailte Irene Großburg an Rainer Torberg:
Von wegen an dem Gerücht ist nichts dran!!!!!!!!!! Dieser scheiß Dimsch!!!!! Scheiße!!!!!!!!!

    Rainer Torberg massierte mit klammen Fingern Stirn und Nasenwurzel.
    Lara Lichtenfels ärgerte sich über Herrn Großburg. Noch mehr aber über ihre Naivität von einst. Und fand dann doch zu einem stillen Lächeln, dachte an Sebastian.
    Sabine und Robert tauschten sich aus, wann ihnen ihr Chef wohl anvertrauen würde, dass er an einem Sonderprojekt für den Alten arbeitete. Wie die meisten tippten sie darauf, dass es etwas mit der angekündigten Umfrage zu tun habe.
    Eva Fischer instruierte ihre Mitarbeiter für die bevorstehende Großumfrage. Sie hatte ihr den Arbeitstitel
Die Wahrheit
gegeben.
    Dimsch saß in seinem Büro und zwirbelte mit großer Ausdauer ein Büschel Haare um den Zeigefinger.

18
    Eva Fischer ging der Vogel nicht aus dem Kopf. Sie

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