Der Gluecksmacher
triumphierend einen Pokal in die Höhe stemmt. Auf dem Gang legte Dimsch ein paar tänzelnde Zwischenschritte ein, und als er sein kleines Büro betrat, hatte seine Stimmung einen Punkt erreicht, an dem es für ihn keines Nachdenkens bedurfte, um, seinen Körper lässig zur Seite neigend, die leere Dose aus der Hüfte zum Papierkorb zu schießen. Sie klackte von der Mauer in den Korb und hinterließ einen Spritzer klebrig dunkler Flüssigkeit an der Wand. Dimschsagte sich, dass ihm das völlig gleichgültig sei – und suchte wenig später nach einem Taschentuch, um die Stelle sauber zu wischen. Er fand keines, nahm stattdessen ein loses Blatt, das ihm zwischen die Finger kam. Dem Aphorismus, den er einmal darauf gekritzelt hatte, maß er im Moment keine Bedeutung bei.
Die Menschen orientieren ihr Tun, ihr Reden, ja ihr Denken nach den Launen und Stimmungen anderer. Nach dem stärksten Wind richten sie ihren Kurs.
16
»Was hältst du eigentlich von unserer neuen … Kollegin?« Irene Großburg verzog die Mundwinkel.
»Du meinst Eva Fischer?«, fragte Lara Lichtenfels.
»Ja, das rothaarige Fräulein Doktor.« Vielsagend dehnte sie die beiden O, streckte die Nase in die Höhe.
»Gib ihr zumindest eine Chance. Wir haben ja nichts zu befürchten. Und sollte sie tatsächlich Verbesserungspotential feststellen, kann es uns nur recht sein.«
»Ja, stimmt schon.«
Lara Lichtenfels schmunzelte. »Aber zu deinem Trost, Irene, sympathisch ist sie mir auch nicht. Für ihr zartes Alter ist sie reichlich eingebildet.«
»Also mir gefällt sie«, sagte Rainer Torberg.
»Etwas anderes hätte ich mir von dir auch nicht erwartet.«
Lichtenfels lehnte sich zurück. »Hat unser Charmeur denn schon Bekanntschaft mit der jungen Dame gemacht?«
»Gemach, gemach, wie die altehrwürdigen Grafen stets zu sagen pflegten«, Torberg grinste, »und erst später ins Gemach.«
Dass ein intelligenter Mensch derart primitiv sein kann, dachte Lichtenfels.
»Was sagt ihr eigentlich zu diesem verrückten Gerücht über Dimsch?«, wechselte Irene Großburg das Thema und lächelte süffisant, als frage sie nur spaßeshalber und nicht, weil sie etwa verunsichert war.
»Du meinst das mit dem Geheimauftrag deines Vaters?«
Sie nickte, hob die Augenbrauen.
»Also, wenn du mich fragst«, sagte Lichtenfels, »ist das völliger Unsinn. Es hat doch keinen Sinn, dass neben dieser Eva Fischer jemand aus dem Haus an den Umfragen mitarbeitet.«
»Zuzutrauen ist es dem Alten aber schon.«
»Rainer, etwas mehr Respekt vor meinem Vater, bitte!«
»Entschuldige.« Ein Lächeln begleitete seine gespielte Verbeugung.
»Aber findet ihr die Wandlung von Dimsch nicht auch eigenartig? Er ist doch viel gelassener als früher«, Großburg zögerte, »richtiggehend souverän.«
Lara Lichtenfels berührte mit der Zungenspitze ihre Lippen, nickte leise.
»Unter Souveränität verstehe ich etwas anderes«, sagte Torberg.
»Und ständig ist er gut gelaunt.« Das Gesicht der Chefin nahm einen Ausdruck des Ärgers an. »Er wirkt richtiggehend glücklich.«
»Wieso bestellst du ihn nicht einfach zu dir«, riet Lichtenfels. »Ich vermute, er weiß noch nicht einmal etwas von der Existenz unserer kleinen Spionin. Strenggenommen fällt das Umfrageprojekt ja in seine Kompetenz. Unter diesem Vorwand kannst du ihn ohne weiteres fragen, was er davon hält.«
»Das ist eine Möglichkeit. Wir hätten dann wenigstens Klarheit.« Irene Großburg spähte zu Torberg.
Der nickte.
Großburg ließ den Faserschreiber, den sie zwischen Zeige- und Mittelfinger hin- und herschnellen hatte lassen, zur Ruhe kommen. Drückte dann die Sprechtaste zu ihrer Assistentin. »Lass den Dimsch heraufkommen. Sofort.«
Dem Abteilungsleiter für Meinungsforschung und Statistik verursachte es zwar nicht mehr jenes beklemmende Gefühl wie früher, wenn er zu Irene Großburg gerufen wurde – seine Lektüre war ihm auch diesbezüglich von Nutzen gewesen –, eine gewisse Enge in der Brust verspürte er jedoch, als er sein Kämmerchen verlassen musste. Anders als früher quälte er sich zumindest nicht damit, vorauszuahnen, was Großburg von ihm wollen könnte, welchen Groll sie diesmal gegen ihn hegte und welche Beschwerde er gleich zu hören bekäme. Damit entfiel auch die Anstrengung, für sämtliche denkbare Themen vorab passende Verteidigungsreden einzustudieren. Mit derlei Gedankenmanövern, hatte Dimsch gelernt, würde er lediglich sein Jetzt vergiften, wertvolle Minuten seines Lebens.
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