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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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vermutete, dass es ein Rabe war, aber gut kannte sie sich nicht aus mit Vögeln. Jedenfalls war er von Anfang an da gewesen. Schon als sie eingezogen war in ihr Büro, hatte er draußen auf dem Ast gesessen und nicht etwa irgendwo hingesehen, sondern ungeniert ihr ins Gesicht. Seither hockte er jeden Tag da, nicht immer zur selben Zeit, aber irgendwann bestimmt. Dass es womöglich nicht stets derselbe Vogel war, sondern mehrere ähnlich aussehende, schloss Eva für sich aus. Sie wollte, dass es ein und derselbe war, der sie besuchte. Außerdem, hatte sie beschlossen, war dieser Rabe ein Weibchen. Sie mochte sich nicht von einem Männchen begaffen lassen. Das Weibchen war klug, es blickte sie fürsorglich an. Ein Männchen hätte nur töricht geglotzt.
    Und überhaupt, für die nächste Zeit hatte sie genug vom männlichen Geschlecht. Diesmal war es ihr ernst. Es war ja nicht für immer, aber eine Pause, eine zumindest einjährige Nachdenkpause war dringend angesagt. Eva war es leid, eine enttäuschende Erfahrung nach der anderen zu machen. Den nächsten Mann würde sie erst nach reiflicher Überlegung an sich heranlassen. Ein Netter, ein Smarter sollte es sein; einer, der wusste, was er vom Leben wollte und der auf sie einging, auf ihre Gefühle, freilich auch auf ihren Intellekt. Aber das war schon wieder viel zu weit gedacht. Vorerst einmal gar keinen, jetzt erst einmal eine ausgiebige Pause. Das passte auch gut in die aktuelle berufliche Situation, Priorität hatte jetzt die Firma, der Job, ja, die hochprofessionelle Abwicklung des Auftrags von der Secur AG. Die würde in den nächsten Monaten ohnehin ihre ganze Konzentration in Anspruch nehmen, und das war gut so. Sebastian, der ihr im ersten Momenthätte gefährlich werden können, war immerhin schon wieder aus ihrem Kopf. Na also! Wenn sie wollte, konnte sie ja konsequent sein. Gut so!

    Nachts war Besuch da gewesen. Als Dimsch morgens sein Büro betrat, bemerkte er es sofort. Auf einigen Zitatzetteln, die er auf seinem Schreibtisch hatte liegen lassen, klebte Mäusekot. Keineswegs hatte die Maus auf jedes Zitat geschissen. Auf manche hatte sie, auf andere nicht. Dimsch überlegte, was ihm die Maus damit mitzuteilen versuchte. Schiss sie nun auf manche Zitate und fand die Aussagen anderer Philosophen rein und gut, oder war es umgekehrt, und sie hatte die Aphorismen ihrer Wahl markiert, um ihn wissen zu lassen, dass er gut daran täte, sich auf deren Aussagen zu konzentrieren?
    Dimsch saß mit Sicherheit schon eine Stunde über den reiskorngroßen, schwarzen Klümpchen, tief gebeugt und staunend. Es wollte ihm nicht und nicht gelingen, dem spektakulären Muster einen Sinn zu entlocken. Die Verteilung der Exkremente wirkte – auch bei genauestem Hinsehen – wie willkürlich. Aber es musste doch möglich sein, die Zeichen zu dechiffrieren. Ausgerechnet als er dachte, er habe den Ansatz einer raffinierten Systematik ausgemacht und fange an, die ausgeklügelte Matrix zu durchschauen, klopfte es an der Tür. Die zerbrechliche Ahnung, deren Bestandteile er eben noch unter äußerster geistiger Anstrengung beisammen zu halten vermocht hatte, zerstob in alle Himmelsrichtungen.
    Er ließ die Stirn in die Hände fallen. Und es klopfte abermals. Sollte er die Mäuseklümpchen jetzt rasch wegwischen und das Rätsel unwiederbringlich verloren geben? Oder konnte er das Risiko eingehen, den Besucher samt reichlich Mäusekot auf dem Tisch zu empfangen?
    Mit dem dritten Klopfen öffnete Eva Fischer die Tür und streckte den Kopf ins Zimmer. »Störe ich?«
    »Nein. Nein!« Dimsch hatte noch nicht entschieden, ob er erleichtert sein sollte, dass es Eva war. »Komm nur, komm rein, aber erschrick nicht wegen dem da.« Er machte die Handbewegung eines Zirkusdirektors, der eine missratene Attraktion zu verantworten hat.
    Sie reckte den Hals. »Was ist das?«
    Dimsch wollte nicht
Mäusescheiße
sagen.
Kot
wiederum kam ihm gar zu fein vor.
    »Mäusezeichen«, sagte er. »Es sind Mäusezeichen.«
    »Mäusezeichen.« Sie fragte nicht. Es klang, als würde sie über einen ihr unbekannten Fachausdruck nachsinnen.
    »Ich überlege mir gerade«, Dimsch rieb sich die Nase, »ich überlege, ob sie irgendeine Bedeutung haben.«
    »Das musst du mir erklären.«
    »Du findest es sicher hirnrissig.«
    »Nein, wirklich nicht!« Sie kam näher. »Das interessiert mich. Ehrlich!«
    »Wenn du darauf bestehst.« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Arme und gab seiner Stimme

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