Der Gluecksmacher
Robert anfangs ratlos machte und dann gleichzeitig loslachen ließ.
»Wisst ihr was«, presste Dimsch hervor, »wisst ihr was, ich mach’s genauso wie ihr! Ich arbeite auch nichts!« Er hielt sich die Nase zu, um nicht loszuprusten. Sabine begann ruckartig zu glucksen wie ein Perlhuhn, Robert verfiel in ein ähnlich atemloses, am ehesten robbenartig zu nennendes Bellen, und als Dimsch nach Luft schnappend wiederholte: »Ich arbeite auch nichts! Fast gar nichts!«, entlud sich die Heiterkeit der drei eruptiv, so dass es im Zimmer des Abteilungsleiters für Meinungsforschung und Statistik mit einem Mal derart laut wurde, dass Eva Fischer in ihrem Büro den Kopf hob.
Wenig später, als Sabine und Robert gegangen waren, blieb ein Wunsch in Dimsch. Er hätte doch zu gerne gewusst, was die beiden nun genau trieben in ihren Büros. Als er sich erkundigt hatte, wussten sie ihn auf später zu vertrösten. »Wir arbeiten an persönlichen Projekten und würden sie dir gerne erst dann zeigen, wenn sie ganz fertig sind«, hatte Sabine mit demütigem Blick gesagt, so dass Dimsch gar keine andere Wahl geblieben war, als einzuwilligen.
Auch er hatte ihnen nicht alles erzählt. Nicht nur seine philosophischen Bücher waren unerwähnt geblieben – wiewohl beide mit vielsagenden Gesichtern die Dutzenden Zitatzettel an den Wänden studiert hatten –, sondern auch das Motiv für seine Lektüre behielt Dimsch für sich. Irgendwie peinlich wäre es ihm gewesen, zu sagen, dass er nach dem Wesen des Glücks suchte. Das hätte doch wie eine Kinderei geklungen, überlegte er und fand gleich danach, dass diese Angst zeigte, wie wenig weit er mit seinem philosophischen Studium war. Jedes andere, jedes herkömmliche Ziel, etwa mehr Geld zu verdienen, wäre ihm leicht über die Lippen gegangen. Unddabei wäre doch gerade das oberflächlich und kindisch gewesen.
Er fühlte den Wunsch, es nicht bei diesem Gedanken bewenden zu lassen. Dimsch öffnete eine neue E-Mail, wollte an Sabine und Robert schreiben, mehr noch aber an sich selbst.
Liebe Sabine, lieber Robert!
Ich finde es großartig, dass ihr euren Wünschen, diesen anfangs vielleicht geheimen oder undefinierten Sehnsüchten, nun Ausdruck verleiht (mit welchen Mitteln auch immer, ich bin schon sehr gespannt!). Nur wenige, glaube ich, haben den Mut, zu handeln wie ihr. Obwohl vermutlich alle das Gefühl kennen, dass da etwas ihr Leben dominiert, das sie sich so nicht ausgesucht haben. Oft unbemerkt beeinflussen uns Gewohnheiten, Verhaltensmuster und eben auch der Job und zwingen uns in Rollen, die gar nicht die unseren sind.
Sollte der »besondere Arbeitsmodus« im Büro Anlass und Möglichkeit sein, euren wahren Wünschen näherzukommen, freut mich das sehr.
Einen sinnreichen Tag wünscht euch
Sbastian
Dimsch klickte auf
Senden,
und noch während er die Maustaste gedrückt hielt, bemerkte er, das Gesicht verziehend, den Tippfehler in seinem Namen. Er sah den Makel, sah Sbastian statt Sebastian, konnte aber nichts mehr dagegen tun. Alles, was ihm übrigblieb, war, den Fehler geschehen zu lassen, die Taste loszulassen, einfach loszulassen.
26
Dimsch überlegte, welche Wirkung seine E-Mail auf die jungen Mitarbeiter haben würde. Ihnen gegenüber hatte er es nie ausgesprochen, aber er empfand sich in gewisser Weise als ihr Mentor. Sein Wort würde wohl Bedeutung für sie haben.
Wenig später ging eine Mail Roberts ein:
Hallo, Chef!
Danke für den »besonderen Arbeitsmodus«;- )
Rbert
Gleich darauf die E-Mail von Sabine:
Weise, weise, Chef!
Sbine
Dimsch lachte. »Habt ihr euch abgesprochen?«, schrie er so laut, dass es die beiden durch die dünnen Wände hören mussten.
»Nein!«, kam es aus Roberts Zimmer.
»Ja«, erklang es gleichzeitig von der anderen Seite.
Der Abteilungsleiter für Meinungsforschung und Statistik hatte kaum Gelegenheit, sich in Aristoteles’ Lehren von der Metaphysik zu vertiefen, da klopfte es an der Tür, und Eva Fischer steckte den Kopf ins Zimmer. Sie war gut gelaunt, eben hatte ihre Rabin am Fensterbrett für sie getanzt.
»Störe ich?« Eva beugte sich nach vorn, linste hinter die Tür, ob noch jemand da war.
Dimsch fand die Szene komisch. »Die Luft ist rein.«
»Bei dir ist ja ordentlich was los.« Sie schloss die Tür hinter sich. »Feiert ihr schon?«
»Feiern?« Dimsch war irritiert. In seinem Gehirn rauschtendie Registrierblätter. Hatte er etwas Wichtiges übersehen? Was meinte sie mit
Feiert ihr schon
? Warum
schon
? Dimschs
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