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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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Insekt, das sich bei Gefahr instinktiv leblos stellt. Ausschließlich von seinen Pupillen ging Bewegung aus; nach links, nach rechts, nach unten bewegten sie sich, das Blickfeld abzutasten. Seine Hand lag noch immer auf dem Buch von Jaspers, sein Zeigefinger auf der Stelle, an der er unterbrochen hatte:
Das Unheil menschlicher Existenz beginnt, wenn das wissenschaftlich Gewusste für das Sein selbst gehalten wird, und wenn alles, was nicht wissenschaftlich bekannt ist, als nicht existent gilt.
    Der Blick, den Dimsch auf sich gerichtet fühlte, kam von links hinten. Und von dort kam – Dimsch hielt den Atem an –, ja, von dort kam jetzt auch ein kaum wahrnehmbares Geräusch. Er kannte dieses Geräusch, es fiel ihm nur nicht ein, woher. Nach Anstrengung klang es, aber dafür war es dann doch viel zu leise. Dimsch schluckte, und schließlich drehte er seinen Kopf vorsichtig, ganz vorsichtig zur Seite. In sein Blickfeld geriet der niedrige Schrank, gerieten die philosophischen Zettel, die er darauf ausgebreitet hatte, geriet eine Maus, die – Dimsch reckte sich – ja, die soeben auf seine Zettel schiss und ihn dabei ansah.
    Dimsch stieß Luft aus, ließ sich nach hinten gegen die Lehne seines Schreibtischsessels fallen. Das erschreckte die Maus, abrupt unterbrach sie ihr Geschäft, sprang vom Schrank und schoss, Dimsch keines Blickes würdigend, pfeilschnell in ihr Loch unter dem Heizkörper. Dimsch saß da, zurückgelehnt, griff sich an die Nase und wusste nicht recht, was er von der Sache halten sollte. Da hatte sich die Maus doch tatsächlich schon wieder in seinem Büro erleichtert. Es war ja witzig, irgendwie. Aber verwendete sie sein Zimmer nun ausschließlich als Klo? Und seine philosophischen Schriften lediglich als billige Toilettenlektüre? Als Unterlage? WC-Papier! Die Maus war anmaßend, fand Dimsch. Oder wollte sie ihm damit sagen, dass Philosophie die Grundlage war? Dass scheinbar Höchstes und scheinbar Niedrigstes in Wahrheit gleichwertig nebeneinander standen, beides zur Erkenntnis beitrug? In jedem Fall, resümierte er eine Weile später, war es ein Vertrauensbeweis gewesen, dass die Maus in seiner Gegenwart ihren tiefsten Bedürfnissen nachgekommen war. Dimsch nahm sich vor, sie beim nächsten Mal nicht mehr so taktlos zu unterbrechen.

25
    »Wir haben ein schlechtes Gewissen.«
    Sabine und Robert standen dicht an dicht im Büro. Ganz so, als wären sie an den Armen zusammengewachsen. Als sie sich ins Zimmer gedrückt hatten, mit Gesichtern wie reuige Schulkinder, war Dimsch erst aufgefallen, wie lange er sie nicht mehr gesehen hatte.
    Liebenswert sahen sie aus. Robert mit prallem Sakko, Sabine mit rotfleckigen Wangen.
    Dimsch freute sich über ihren Besuch. »Setzt euch.« Er ließHeraklit, den er unter der Tischplatte verborgen hielt, in eine der Schubladen gleiten.
    »Was ist los? Ihr wollt doch nicht kündigen, oder?« Der Gedanke erschreckte ihn. Er mochte sie. Und furchtbar umständlich wäre es, neue Mitarbeiter einzustellen, denen er alles von vorne erklären müsste, die womöglich neugierig wären, ambitioniert, vielleicht bemerken würden, dass er kaum etwas arbeitete, stattdessen ein Buch nach dem anderen verschlang.
    »Nein, nein, wir wollen nicht kündigen.« Robert schüttelte den Kopf.
    »Wir finden es super hier.« Sabine nickte heftig.
    »Und du bist ein netter Chef.«
    »Ja, ja. Schon gut.« Dimsch lachte und machte eine abwehrende Handbewegung. »Worum geht’s?«
    Die beiden sahen einander an.
    Sabine stieß Robert gegen den Fuß. Er hüstelte. Und sagte dann schnell und in einem Zug: »Chef, wir haben fast nichts zu tun.«
    Dimsch umfasste sein übergeschlagenes Knie mit beiden Händen, lehnte sich zurück. Das also ist es, und was sag ich jetzt?, überlegte er. Dass das schon in Ordnung ist, arbeiten ist nicht das Wichtigste im Leben, gratuliere zu dem weisen Entschluss. Oder sag ich, dass ich ihnen künftig mehr Arbeit zukommen lasse? Aber woher nehmen? Ich arbeite ja selbst fast nichts. Nachdenklich sah er die beiden an.
    Womöglich bemerkte Sabine ja seine Zerrissenheit; sie jedenfalls war es, die kurz darauf ergänzte: »Und weil wir fast nichts zu arbeiten haben, nutzen wir die Zeit für Sinnvolles.«
    Sie biss die Zähne aufeinander, versuchte ein Lächeln. Auch Robert wirkte nicht sonderlich entspannt. In Dimschs Gesicht dagegen stand mit einem Mal amüsierte Verblüffung. Seine Lippen kräuselten sich, und in seine Augen stieg einespitzbübische Freude, die Sabine und

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