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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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Stirn lag in Falten, gedankenumwölkt. Er mühte sich, unbeschwert zu lächeln, doch ging er allerlei düstere Szenarien durch, die nun folgen könnten auf die heimtückische Frage
Feiert ihr schon?

    Er weiß es längst, irgendwer hat geplaudert, dachte Eva Fischer. Andernfalls würde er nicht so ein Schauspielergesicht aufsetzen. Freilich haben sie schon gefeiert, war zuvor ja noch nie so laut gewesen bei ihm.
    »Was denn gefeiert?«, wiederholte er. »Was meinst du?«
    Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, es Sebastian zu sagen, ihm mit der Neuigkeit Freude zu bereiten. Nun verdarb er alles, weil er es schon wusste. Ein trotzig-ärgerlicher Ausdruck beherrschte ihre Züge, als sie sagte: »Du bist von den zweihundertfünfzig Angestellten zum beliebtesten Mitarbeiter der Secur AG gewählt worden.«
    In Dimschs Kopf prallten zwei Gedanken aufeinander: Freude und Misstrauen. Und da sie gleich intensiv waren, verebbten sie ineinander, was in seinem Gesicht einen Ausdruck von Dumpfsinn hinterließ.
    »Ich wusste ja, dass es dir schon jemand erzählt hat.« Sie ließ die Hände in den Schoß fallen. »Freust du dich trotzdem ein bisschen?«
    »Ist es kein Scherz?«
    »Du wusstest es doch noch nicht?« Ihr Körper gewann wieder an Spannung. »Ach, wie schön!«
    Dimsch versuchte ein Lächeln.
    »Oooch«, flötete sie zärtlich, stand auf, ging rund um den Tisch, umarmte ihn. »Gratuliere, gratuliere, gratuliere, Sebastian! Ich freue mich so sehr für dich!«
    Er hüstelte in die Faust, um dahinter seine Freude zu verstecken.
    »Hast du auch nicht zu meinem Vorteil geschummelt?«, erkundigte er sich, als sie wieder Platz genommen hatte.
    »Nein, wirklich nicht. Du weißt doch«, sie formte eine Faust, »ich bin unbestechlich.«
    Dimsch brauchte nicht weiter zu drängen. Von sich aus erzählte Eva die Details der Neuigkeit. Die Erhebung der beliebtesten Mitarbeiter sei eines der wichtigsten Elemente ihrer Untersuchung. Die fachlich kompetentesten Leute nämlich kannten die Chefs im Regelfall, bei den
sozial
Kompetentesten hingegen täuschten sie sich oft, da sie wegen ihrer persönlichen Sympathien befangen seien. Zudem werde zwar beinahe immer das Potential der Fachkräfte ausgeschöpft, ganz anders verhielte es sich aber bei den sozialen Stützen. Sie wirkten, von den Chefs oft unbemerkt, positiv auf Betriebsklima und Motivation, systematisch genützt würde ihre Stärke jedoch kaum. Die enorme Bedeutung solcher Menschen falle zumeist erst auf, wenn sie nicht mehr im Unternehmen seien. Dann fehle mit einem Mal jene Person, die für Zusammenhalt gesorgt habe, für die Sozialhygiene im Haus, und die es geschafft habe, die unterschiedlichsten Mitarbeiter zusammenzubringen. Wenn solche Menschen abhandenkämen, die nichts Geringeres erfüllten als die Funktion einer emotionalen Tankstelle, gehe dem betroffenen Unternehmen nach und nach die Energie aus, und ein regelrechter Personalverschleiß setze ein.
    Dimsch schürzte die Lippen. Er hatte das ebenso unangenehme wie sichere Gefühl, dass Eva ordentlich daneben gehauen hatte mit diesem Teil ihrer Untersuchung. Dass ausgerechnet er die geheime Stütze der Versicherung sein sollte, konnte er mit Gewissheit ausschließen.
    Als hätte sie die Gedanken von seiner Stirn abgelesen, erläuterte sie, dass viele dieser emotionalen Stützen sich ihrer Rolle gar nicht bewusst seien.
    »Du glaubst aber doch nicht, dass
ich
so eine Stütze bin?« Dimsch schüttelte belustigt den Kopf, hatte insgeheim nun doch wieder Hoffnung, dass genau das möglich sein könnte.
    »Es ist keine Frage von Glauben, Sebastian«, antwortete sie sachlich. »Aus meinen wissenschaftlich fundierten, qualitativen Interviews geht eindeutig hervor, dass du die wichtigste soziale Stütze bist.«
    Wahnsinn!, freute sich Dimsch, doch setzte er einen ungläubigen Gesichtsausdruck auf. So konnte er ihr wohl unauffällig noch mehr wohltuende Details entlocken.
    »All deine E-Mails zum Beispiel«, Eva lächelte ihn an, »weißt du denn überhaupt, wie wichtig sie deinen Kollegen sind?«
    »E-Mails«, wiederholte er, als wüsste er nicht, wovon sie sprach.
    »Ja, all die Mails, die du kreuz und quer in alle Abteilungen, zu allen möglichen Angestellten schickst, all die Aufmunterungen, philosophischen Überlegungen. Damit spendest du Freude und Trost, Sebastian. Und was gibt es Herrlicheres, als Freude und Trost zu spenden? Das ist doch die wunderbarste Fähigkeit überhaupt. Die Menschen sind dankbar dafür, Sebastian,

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