Der Gluecksmacher
Eigentlich war es nur ein Gedankegewesen, den sie nicht vorgehabt hatte zu formulieren. Doch als er in ihrem Kopf Form angenommen hatte, öffneten sich unversehens ihre Lippen, und sie fragte mit einer Stimme, die sie nicht kannte, wie es eigentlich in seinem Innern aussehe, abseits des Jobs und des Büroalltags. Während sie den Satz sprach, bemerkte Eva, dass ein leises Zittern in ihrer Stimme lag, dass aber die Worte bestimmt klangen, ja geradezu forsch. Heiß wurde ihr unter ihrer Frage. Kurz griff sie an den obersten Knopf ihrer Bluse.
Torberg bemerkte es nur beiläufig. Auch in ihm hatte diese im Grunde völlig simple Frage etwas ausgelöst. Es fühlte sich an, als hätte jemand an sein Herz gegriffen, hätte es gepackt und bestaunte es nun von allen Seiten.
»Mich plagt ein ziemlich schlechtes Gewissen wegen eines Wohnungskaufs.« Torbergs Pupillen hatten sich geweitet, er war überrumpelt von seiner Offenheit. Eine Flanke hatte er ihr geöffnet in einem unbedachten Moment. Eva bemerkte seine Verlegenheit, es gab ihr ihre Sicherheit zurück.
»Eine neue Wohnung? Was plagt dich da?«, fragte sie, ihn erstmals mit du ansprechend.
»Ich habe jetzt schon eine ziemlich große Wohnung. Das neue Penthouse in der Innenstadt aber ist die absolute Dekadenz. Für das Geld könnte ich fünf Not leidenden Familien passable Eigentumswohnungen kaufen.«
Er blickte auf den Besprechungstisch.
Wäre ihr vor fünf Minuten erzählt worden, dass Torberg ein Penthouse gekauft hatte, hätte sie ihn vermutlich als Großkotz empfunden. Nun zuckte Eva wie entschuldigend mit den Schultern. »Aber du hast es dir redlich und durch harte Arbeit verdient.«
»Ja, trotzdem. Es ist eigentlich der pure Wahnsinn.« Er zögerte. »In Wirklichkeit bin ich ein dekadenter Arsch.«
»Unsinn!« Beinahe hätte sie nach seiner Hand gegriffen. »Jeder gibt doch manchmal aus Lust und Laune Geld aus, das sozial besser angelegt wäre. Ob es sich nun um einen kleinen Betrag handelt oder eine Riesensumme, ist, moralisch betrachtet, doch unwesentlich.« Ihr Blick war leidenschaftlich geworden. »Ich finde«, kurz stockte sie, »ich finde, deine Skrupel zeigen, dass du im Grunde ein anständiger Kerl bist.«
Er sah auf. »Es ist wirklich lieb von dir, dass du mich tröstest.«
Unversehens fand er zu seiner Form zurück. »Wenn du mich weiter trösten willst – du hast ja jetzt meine private Nummer.« Er zwinkerte ihr zu.
Eva Fischer schüttelte zwar den Kopf, musste aber erstmals herzlich lachen.
So hatte Rainer Torberg am Ende dieses Gesprächs, das als Interview im Rahmen der großen Mitarbeiterumfrage begonnen hatte, beides: seine dekadente neue Luxuswohnung
und
ein besänftigtes Gewissen. Besänftigt obendrein von einer jungen Dame, in deren Augen er mit jeder Minute tiefer einzudringen vermocht hatte.
»Du lässt dich ja gar nicht mehr blicken«, sagte Dimsch, als er wenig später auf Eva traf. In derselben Sekunde ärgerte er sich über seine Worte. Froh hätte er sein sollen, dass sie seine neue Distanz offenbar registriert hatte und sich ihrerseits zurückhielt.
»Du weißt ja«, Eva sah ihm, wie um Verzeihung bittend, in die Augen, berührte seinen Arm, »ich bin mitten in den Mitarbeiter-Interviews. Ist ziemlich zeitaufwendig. Gerade war ich bei Rainer Torberg.«
Sie schritt im Gang neben ihm her. »Aber wenn es dir recht ist, komme ich in ein paar Minuten zu dir.«
Dimsch setzte sich an den Bildschirm, atmete durch. Sie hat mich berührt, verdammt, verdammt, verdammt, freute er sich. Die Frauen machen das so wahnsinnig geschickt; als sei es überhaupt nicht Absicht gewesen, berühren sie einen so ganz nebenbei und wissen sicher ganz genau, was sie damit anrichten.
Ich muss ihr noch deutlicher zeigen, dass ich nichts von ihr will. Wollen schon, aber dass ich eben nichts von ihr wollen will. »Sakrament!« Dimsch fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Ich hab’s doch schon entschieden, rief er sich in Erinnerung.
Zur Sicherheit könnte er noch abweisender sein. Aber das konnte auch nach hinten losgehen. Frauen – er hatte es bisher von weit her mit angesehen – fanden es mitunter ja eigens anziehend, wenn Männer kaltschnäuzig waren. Abweisend würde er also besser nicht sein. Aber er könnte, fiel ihm ein, wie beiläufig seine negativen Eigenschaften erwähnen, um sie abzuschrecken. Allerdings – auch das hatte Dimsch beobachtet – manchmal verliebten sich Frauen ja mehr in die Schwäche eines Mannes als in den Mann
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