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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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dass ausschließlich warmes Kerzenlicht den Raum erhellte. Der Widerstand gegen seinen Vorschlag, das Essen in seinem neuen Penthouse stattfinden zu lassen, war von Beginn an – er war der Mann, der so etwas spürte – halbherzig gewesen, bloß Teil des üblichen Anstandsgeplänkels, ohne dem Frauen einer Verlockung nie nachgeben wollten. Schließlich ermöglichte ihnen erst die Existenzdes Anstands, ihn etwas später abzulegen. So verschafften sie sich den ersehnten Kitzel. Alle gleich, dachte Torberg.
    Rainer Torberg verstand sein Handwerk. Er glich jenen erfolgreichen Populisten der politischen Bühne, die ihrem Publikum nicht sagen, was es zu denken hat, sondern ihm sagen, was es denkt. Meister, demagogische Meister freilich vermögen noch mehr. Sie erspüren die geheimsten Gedanken der Menschen, jene Impulse, die zwar ihre Wesensart ausmachen, derer sie sich selbst jedoch nicht gänzlich bewusst sind. Hören Menschen ihre unfertige Ideenwelt dann bestechend beschrieben, so dass daraus Legitimität erwächst und höhere Bedeutung, ist Euphorie die Folge. Bedankt und gefeiert wird dieses Glücksgefühl durch Gejohle, Geschrei, Gesang. Und wie bei solch ekstatischer Zustimmung nicht nur der Populist beklatscht wird, sondern auch der Höhepunkt eigener Gefühle, so gab sich Eva Fischer in dieser Nacht nicht nur Rainer Torberg hin.
    Schon während des Essens hatte er es verstanden, auf sie einzuwirken. Er hatte Ängste genommen, Unsicherheiten beseitigt, erhoffte Klarheit geschaffen und Wünsche in den Bereich des Möglichen bugsiert. Um durch all die Zauberei nicht unnahbar zu werden, öffnete er Eva hin und wieder ein Türchen in seine Seele. So kam es, dass sie diesem Mann gegenüber nicht nur Dankbarkeit, Respekt und das kribbelnde Gefühl der Hingezogenheit empfand, sondern auch so etwas wie Verliebtheit.
    Er war ein viel zu selbstsicheres Großmaul, viel zu attraktiv obendrein, und Eva erschrak, wie rasch er sie dazu gebracht hatte, ihm ihre Unsicherheit wegen Irene Großburgs Verhalten zu gestehen. Auch die Zweifel, ob ihre Arbeit in der Versicherung Anerkennung finden würde, ob wenigstens Teile davon in die Praxis umgesetzt würden, entlockte er ihr im Handumdrehen. Ihre Gesprächigkeit ärgerte sie. Doch Torbergzerstreute auch diese Bedenken. Großburg, versicherte er unter der Auflage der Verschwiegenheit, sei nur deshalb so unausstehlich, weil sie sich nach nichts drängender sehne als danach, Mutter zu werden, was aber nicht und nicht gelinge. »Das macht sie aktuell so«, er dehnte das Wort, damit der Scherz auch sicher ankam, »so unrund.« Eva wollte die frauenfeindliche Bemerkung übergehen, doch dann passierte ihr doch ein Lachen. Zu groß war die Erleichterung, dass nicht sie die Ursache für Großburgs schlechte Laune gewesen war.
    »Du kannst dir sicher sein, Irene schätzt dich enorm. Freilich nicht so sehr«, er neigte den Kopf zur Seite, lächelte, »nicht annähernd so sehr, wie
ich
dich schätze.« Und als hätte er die Szene und das entsprechende Timing eingeübt, ergänzte Torberg nach Sekunden, während denen Eva Fischer nicht gewusst hatte, was sie sagen sollte: »Ich habe mit Irene gesprochen, Eva. Wir sind übereingekommen, dich um etwas zu bitten.«
    »Ja?« Eva achtete darauf, sich ihre Emotionen nicht anmerken zu lassen, sie wollte taff wirken und cool bleiben.
    »Wir sind von deiner Arbeit so überzeugt, dass wir dich bitten, künftig sämtliche Umfragen, auch die externen Marktumfragen, für die Secur AG zu übernehmen.« Torberg hatte in einer Art gefragt und mit einem Glanz in den Augen, als würde er um ihre Hand anhalten. Und als sich das großartige Angebot, das er ihr gegenüber als Bitte formuliert hatte, in Evas Kopf zu einem Sturm wilder Überlegungen auswuchs, war er so unverschämt, exakt jene Überlegungen in Worte zu fassen. Es handle sich, erläuterte er, um einen ziemlich großen, mehrjährigen Auftrag, der nicht nur inhaltlich anspruchsvoll und eine große Herausforderung sei, sondern ihr junges Unternehmen auf eine sichere wirtschaftliche Basis stelle, von der aus sie in aller Entspanntheit Aufträge anderer Unternehmen, freilich nur die interessantesten, annehmen könne.
    Torberg beobachtete, wie die von ihm ausgelöste Welle an Verlockungen Eva erfasste, sie mitriss und verschlang, um sie lange Sekunden später, heftig durchgeknetet, wieder auszuspucken und an Land zu werfen. Er wartete ab, bis sie erwachte. Nicht vollends zu sich kommen sollte sie, bloß kurz

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