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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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Luft schnappen, für die nächste, die finale Welle. Gegen die würde sie nicht mehr ankämpfen. Bereitwillig hingeben würde sie sich und haltlos treiben lassen, geradewegs in seine Arme.
    »Vielleicht fragst du dich«, begann er leise, »was dann mit Dimsch geschieht, da es bisher doch
sein
Job war, die Aufträge für die externen Umfragen zu vergeben. Nun, du ahnst es vermutlich schon. Wir haben entschieden, deinem Rat voll und ganz nachzukommen. Dimsch bekommt die Verantwortung für ein hochdotiertes Sozialprojekt der Secur AG. Es wird ein großartiges Pionierprojekt rund um das Thema Glück. Und Dimsch wird dessen Leiter. Das hat er dir zu verdanken, Eva.«
    Torberg lächelte sein innigstes Lächeln.
    »Du brauchst auf all das nicht sofort zu reagieren.« Sanft berührte er ihren Handrücken. »Entspann dich erst einmal, genieße den Abend.« Er hob sein Weinglas. »Auf dich, Eva.«
    Angenehm verschwommen und rundum wundervoll war plötzlich alles. Wie im Märchen und so herrlich leicht. Eva griff nach dem eleganten Stiel ihres Weinglases, schlug die Augen auf.
    »Und auf dich, Rainer.«

30
    »Hat sie den Köder geschluckt?«
    »Mit Haut und Haar.«
    »Wie weit musstest du gehen?«
    Torberg strich über das Metallband seiner Taucheruhr, lächelte das Lächeln einer zweideutigen Freude.
    »Ich sagte ihr«, begann er, »im Vertrauen freilich, dass du dir Sorgen machst wegen der noch ausstehenden Umfrageergebnisse und dass dein Vater sie gegen dich verwenden könnte.« Torberg konnte es nicht lassen, eine dramaturgische Pause einzulegen, um die Wirkung seiner Worte in Irene Großburgs unruhigen Augen zu beobachten. Nachdem er aus dem Gesehenen Genuss geschöpft hatte, fuhr er fort. »Sie hat geantwortet, Umfragen seien interpretierbar, sie werde sich die Rohdaten nochmals anschauen. Und gegen eine Chefin, die so innovativ sei, ein soziales Glücks-Projekt zu initiieren, könne schwerlich etwas gesagt werden.«
    »Gratuliere, Rainer.« Von Irenes Zügen glitt das Maskenhafte ab. »Ich glaube, da ist uns wirklich ein genialer Schachzug gelungen.«
    Mir, dachte Torberg, mir, meine Liebe, ist ein genialer Schachzug gelungen.
    Er nickte. »Und du wirst sehen, Dimsch frisst dir ab sofort aus der Hand. Wenn er erst einmal mit dem Glücksprojekt eingedeckt ist, wird er nicht mehr dazu kommen, Unsinn zu treiben. Und wer weiß, womöglich wird aus seinem Projekt obendrein ja auch noch etwas.«
    Großburg und Torberg sahen einander an, begannen zu schmunzeln. »Nein!«, riefen sie gleichzeitig. So befreit gelacht hatten sie schon lange nicht mehr.

    Dimsch saß in seinem Büro. In ihm wollte keine rechte Lust aufs Lesen aufkommen. Vielleicht hatte er schon zu viel von diesen Philosophen verschlungen, vielleicht war er einfach gesättigt. Unbehagen bereitete ihm auch die Beobachtung, dass er theoretisch zwar immer tiefer ins Glück vordrang, darüberaber zusehends die Praxis vernachlässigte. Geradewegs zuwider wurde ihm die Praxis, weil doch theoretisch und im Moment des Lesens alles so einsichtig und logisch war, sobald er sich aber zwischen den Buchdeckeln hervorwagte und aus deren Deckung ging, eine Umgebung vorfand, die so gar nicht kompatibel war mit seinen Erkenntnissen. Und er selbst, so viel stand fest, war die größte Unpässlichkeit in der Szenerie des Glücks. Geradezu ein Fremdkörper war er.
    Der legendäre chinesische Weise Laotse bestätigte seine Befürchtung:
Je mehr einer weiß, desto größer wird seine Verwirrung und desto weiter entfernt er sich vom Verständnis für die Freude am Leben.
    Na großartig! Dimsch blies Luft aus und rieb mit den Händen über seine Jeans. Damit war sein Schicksal also besiegelt. Denn nichts zu wissen, dafür war es eindeutig zu spät. Die Chance, das Glück jungfräulich rein zu empfangen, war längst vertan. Viel zu viel hatte er gelesen, viel zu viel Wissen sich angeeignet, übers Leben, über den Sinn und das Glück. Resigniert sah er um sich, überflog die mit philosophischen Zitaten tapezierten Wände. Da schoss ein heißes Kribbeln über seine Haut, ein elektrisches Signal. Gleich würde, nein, müsste er aufspringen, sämtliche Zettel herunterfetzen, die Bücher aus den Regalen reißen, kein einziges verschonen und Stück für Stück aus dem Fenster schleudern.
    Bevor er dem Impuls nachgeben konnte, läutete das Telefon. Die Unterbrechung jagte Dimschs Ärger augenblicklich auf die Spitze. Er stieß einen markerschütternden Laut aus, der ihn an jenen eines

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