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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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Bürosessel gesunken, klopfte es, und die Tür sprang auf.
    »Ich wollte die Erste sein, die dir gratuliert.« Eva lächelte, doch sie schien nicht ganz bei der Sache zu sein. Eng neben ihr im Türstock stand, selbstsicher lächelnd, Rainer Torberg.
    »Danke«, sagte Dimsch. »Aber was ist denn los mit dir? Du wirkst so aufgebracht.«
    »Stell dir vor«, stieß Eva hervor, »irgendein Mistkerl hat gerade auf meine Rabin geschossen.«
    »Aber es ist ihr nichts passiert.« Torberg legte seine Hand um Evas Schulter. »Der Idiot hat nicht getroffen.«
    Dimsch versuchte, nicht in Torbergs Gesicht zu sehen.
    »Was müssen das für Menschen sein?« In Evas Augen glühte Wut. »Was sind das für Menschen, die auf Tiere schießen!«
    Eine Pause entstand, und Dimsch war, als blickte Torberg auf seine Hände.
    Habe ich Dreck vom Steinchenaufklauben unter den Fingernägeln? Dimsch wagte nicht hinzusehen, zog nur seine Finger ein, formte beide Hände zu Fäusten, in denen er die Daumen verbarg.
    »Nun ja«, Torberg hob die Stimme, »jedenfalls auch von mir herzliche Gratulation zu deinem Glücksprojekt! Wenn ich dir irgendwie helfen kann, lass es mich wissen.«
    Er kam näher, streckte Dimsch die Hand entgegen.

33
    Herrgott Sakrament! Ich und ein Glücksprojekt ausarbeiten! Ausgerechnet ich! Tief, tief ins Jammertal war Dimsch geraten. Er schleppte sich heimwärts, war mürrisch, stinksauer, am meisten auf sich selbst, wollte die vergangenen Stunden am liebsten einfach vergessen.
    Als er die Wohnung betrat, kam ihm Sophie bestens gelaunt entgegen und fragte ihren Mann, wie sein Tag gewesen war. Eine linke Gerade in die Magengegend hätte in etwa dieselbe Wirkung auf seine Stimmung gehabt.
    »Eine Katastrophe war mein Tag!«, rief Dimsch und ärgerte sich sogleich über seine Unbeherrschtheit – was ihm umgehend einen weiteren Grund gab, aufgebracht zu sein.
    »Sebastian, entschuldige.« Nun war auch ihr Ton gereizt. »Ich habe dich nur gefragt, wie dein Tag war.«
    »Hab ich dir doch schon gesagt!« Er schrie es noch lauter als zuvor, was ihn noch dümmer dastehen ließ, er spürte es.
    »Ich habe die Verantwortung für ein großes Glücksprojekt bekommen«, stieß er hervor und fand, damit die Ursache all seines Schlamassels in einem Satz zusammengefasst zu haben. Weil Sophie aber nichts, absolut nichts zu verstehen schien, was ja wieder einmal typisch war – wer verstand ihn denn schon, niemand verstand ihn, alle waren gegen ihn –, ließ er einer weiteren Tirade freien Lauf, phantasierte von Prüfungen, die ihm das Leben auferlege, Gehässigkeiten, Gemeinheiten, Geduldsproben, die er zu ertragen habe, und überhaupt sei alles verpfuscht und verfahren und gänzlich aussichtslos.
    In diesen Sekunden erfuhr Dimsch, was es hieß, außer sich zu sein, er fühlte sich wahrhaftig nicht in seinem Körper, hörte sich selbst zu, von oben her, wie Wut und Verzweiflung ihn in eine absurde Verrücktheit trieben. Er bemerkte, dass er die Sache immer schlimmer machte, sich tief und tiefer ins Desaster redete, völlig unnötig, völlig überzogen, er wusste es und machte dennoch weiter, ließ sich fallen in seiner Geisterfahrt wider jede Vernunft.
    Erst als der letzte Tropfen Wahnsinn aus seinem Kopf gepresst war, erst als er die Tür des Arbeitszimmers hinter sich zugeschlagen und finstere tierische Laute von sich gegebenhatte (es klang wieder sehr nach Orang-Utan), bekam Dimsch nach und nach festes Land unter die Füße, spürte erleichtert, dass er wieder zu sich kam.
    So dramatisch (und affig) er eben noch gewesen war, so ruhig war er jetzt. Er vergegenwärtigte sich, in welchen Sturm er sich manövriert hatte, stellte fest, dass die Situation bei weitem nicht so aussichtslos war. Dimsch bemerkte aber auch, dass die Welt, in die er sich geredet hatte, Wirklichkeitsanspruch besaß. Kurzum, er staunte über die Kraft, die seine Gedanken, seine Worte hatten, staunte über deren Macht, in ihm neue Wirklichkeiten zu erschaffen. Und er dachte, und es kam ihm vor, zum ersten Mal: Wenn die Realität des Lebens steuerbar ist, wäre es doch verrückt, ja grenzte es an Selbstzerstörung, redete man sie schlechter anstatt besser.
    Und obgleich es ihm lächerlich schien, versuchte er es, interpretierte das zuletzt Geschehene um, besah die Dinge und Gegebenheiten in neuem, schönem Licht. Und fuhr zusammen, weil er zu spüren begann, dass es funktionierte. Ein erhebendes Gefühl kam in ihm auf. Gleichzeitig lächelte er darüber, wie er die neue

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