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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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bis fünfzig Prozent!« Torberg reagierte überrascht, als Dimsch erläuterte, welchen Anteil die vererbten Gene an den menschlichen Eigenschaftsmerkmalen hätten und damit auch am Glück.
    »Intelligenz«, wählte Dimsch ein erstes Beispiel, »ist zu fünfzig Prozent genetisch bedingt. Alkoholismus zu dreißig Prozent. Auch Eifersucht, Sensibilität, Leistungsdenken, Gewaltbereitschaft und vieles andere ist oft angeboren.«
    »Man ist von Geburt an gestraft«, resümierte Rainer Torberg.
    Dimsch wog den Kopf. »Ganz so schlimm ist es nicht. Wie sich deine angeborenen Eigenschaften und Verhaltensweisen entwickeln, entscheidet sich vor allem in deinen ersten drei Lebensjahren.«
    »Nicht nur, dass wir mit einer Erblast zur Welt kommen, danach wird diese Last in unseren ersten Lebensjahren also auch noch verstärkt, ohne dass wir uns dagegen wehren können.«
    Sakrament, dachte Dimsch. So hatte er es noch nie gesehen.Er wollte es sich nicht anmerken lassen und sprach daher rasch weiter. »In den ersten drei Jahren ist das limbische System, also das Zentrum deiner Emotionen, noch stark formbar. Psychologen sprechen vom
inneren Kind,
das unser Denk- und Verhaltensmuster bestimmt.«
    Rainer blickte wie ins Leere.
    »Veränderungen im Erwachsenenalter sind schwierig, aber nicht unmöglich«, dozierte Dimsch weiter aus seinem angelesenen Wissen. »Unser Hirn bleibt ein Leben lang formbar. Was wir erleben und wie wir uns verhalten, wirkt bis in unsere genetische Struktur und verändert laufend die Nervenzellen. Forscher vermuten, dass sogar das
innere Kind
umgeformt werden kann. Ausschlaggebend ist, dass man das, was man an sich verändern will, immer wieder tut. Mit jeder Wiederholung gräbt sich eine Verhaltensweise nämlich tiefer in unsere Nervenbahnen ein, bis sie irgendwann zum Automatismus wird. Das funktioniert sowohl mit positiven als auch mit negativen Mustern.«
    »Es ist wie ein Weg«, brachte sich Torberg ein, »den man oft befährt und bei dem sich mit der Zeit Fahrrillen bilden. In die rutscht man dann beim nächsten Mal wie von selbst hinein.«
    Dimsch sah ihn an, doch Rainer Torberg hatte den Blick zu Boden gerichtet.
    Das Thema hatte eine Sprachlosigkeit zwischen den beiden Männern entstehen lassen. Und Dimsch war froh, dass ihm ein halbwegs passendes Zitat Ödön von Horváths einfiel:
Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm nur so selten dazu.
    Torberg sah auf und lächelte.
    Und dann lag eine Frage in seinem Blick. Er öffnete schon die Lippen. Doch schließlich nickte er nur.
    »Weißt du eigentlich«, fragte Dimsch, einfach um etwas zusagen, »warum Frauen so kompliziert sind?« Kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, bereute er es. Völlig unnötigerweise hatte er sich in Erinnerung gerufen, dass Rainer glücklich mit Eva liiert war.
    »Nein, erzähl schon!«
    Nun musste Dimsch es zu Ende bringen. Etwas lieblos und viel zu nüchtern für den Beginn eines Scherzes sagte er: »Das, was den Mann zum Mann macht, ist das Y-Chromosom, auf dem 78 Gene sitzen. Das, was die Frau zur Frau macht, ist das X-Chromosom, auf dem 1098 Gene sitzen. 78 Gene bei uns, 1098 Gene bei den Frauen. Kein Wunder, dass sie so kompliziert sind.«
    Die trockene Art, mit der Dimsch den Witz heruntergespult hatte, ließ Torberg schallend auflachen.
    »Herrlich!«, rief er. »Das muss ich nachher gleich Eva erzählen.«

4
    Als Dimsch spät nachmittags die Versicherung verließ, saß sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Schwarz war sie, mit einem weißen Flecken auf der Stirn. Dimsch wollte näher gehen, ihr sonnenwarmes Fell berühren, ihr sicherlich behagliches Schnurren hören. Den Schwanz hatte sie geschmeidig um ihre Pfoten geschlungen, gänzlich unbehelligt schien sie vom Lärm und vom Beton der Stadt.
    Geradewegs zu ihm blickte die Katze nun, blinzelte gegen das Licht der Abendsonne, und Dimsch spürte die tiefe Zufriedenheit, die von ihr ausging. Schon setzte er an, die Straße zu queren, zu ihr zu gehen, hielt dann inne. Er fühlte, besser konnte es nicht mehr werden. Und sie zu stören stünde ihm nicht zu.
    Es war ein guter Tag gewesen, aber diese Entscheidung jetzt, der Beschluss, die Katze ungestört zu lassen in ihrem Glück, das war der Höhepunkt. Es machte Dimsch so froh, dass Menschen sich umwandten nach ihm. Als er die Wohnung betrat, sagte er zu Sophie: »Ich liebe dich.«

    Wie leicht alles war im Glück! Und wie wunderbar es abfärbte aufs Rundherum. Wie unbeschwert an diesem Abend alle waren, wie

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