Der Gluecksmacher
passiert, wenn unsere Kunden deine Zeittabelle für bare Münze nehmen?«
»Sie werden glücklicher sein.«
»Nein«, sagte Rainer in bemüht nachsichtigem Ton, »sie werden sich einreden, dass Karriere und Geld nicht zum Glück führen, folglich kündigen, folglich nichts verdienen und folglich«, er sah in die Runde, »kein Geld zur Bezahlung der Glücksversicherung haben.«
»Die brauchen sie dann auch nicht mehr, es wäre ein voller Erfolg.« Dimsch wickelte ein neue Haarsträhne um seinen Zeigefinger.
Um das Schweigen zu brechen, das den Raum füllte und nur noch Platz ließ für das Gefühl der Ausweglosigkeit, hob Eva die Stimme und berichtete betont fröhlich, dass der Designentwurf für die Neugestaltung von Gang und Besprechungszimmern fertig sei.
»Welcher Designentwurf?«, fragte Dimsch. »Welche Neugestaltung?«
»Sebastian, das haben wir doch letztens besprochen. Sobald die ersten Testkunden hier bei uns reinmarschieren, brauchen wir eine Atmosphäre, die sich nicht nach Versicherung anfühlt, sondern nach Glück. Ihr werdet begeistert sein, der Gang und alle Kundenzimmer werden in sympathischen, hellen Farben erstrahlen, mit philosophischen Zitaten an den Wänden, dazu werden wir über ein neues Akustiksystem beruhigende Klänge von Shaolin-Mönchen einspielen.«
»Klingt gut«, sagte Lichtenfels, um das Ihrige zu einer positiven Stimmung beizutragen.
»Aber mein Zimmer bleibt, wie es ist.« Dimsch hatte die Augenbrauen zusammengezogen, Falten durchpflügten seine Stirn.
Von Natur aus spaßig war Dimsch ja nie gewesen, aber seit er von Berufs wegen zum Glück gezwungen worden war, seit sich das Projektteam bei ihm traf, er auch gegenüber Großburg und den Verkäufern Rede und Antwort stehen musste, wurde er zunehmend fahrig. Er war ein Eigenbrötler, der zwecks Studiums nicht wie Diogenes in ein Fass geflohen war oder auf eine Säule wie die Kirchenheiligen. Stattdessen hatte er sich in eine Höhle mit der Aufschrift
agazin B
zurückgezogen. Und nun war er zurück ins Licht gezerrt worden, ins Freie, konfrontiert mit der Welt. Es machte ihn unrunder, als er jemals gewesen war. Mehr noch: Torbergs und Großburgs Meinung zufolge war Dimsch drauf und dran, überzuschnappen.
»Hast du das ernst gemeint, das vorhin, mit der Geld-zurück-Garantie?«, fragte Lara Lichtenfels, als sie neben Torberg den Gang entlangging, zurück Richtung Großraumbüro.
»Natürlich, oder glaubst du, auch nur ein Kunde wird sich eingestehen, dass er weiterhin unglücklich ist?«
»Warum nicht?«, reagierte sie trocken. »Schließlich gestehen sich die Kunden ihr mangelndes Glücklichsein ja bereits ein, wenn sie zu uns kommen.«
»Ja, aber keiner wird sich die Chance aufs Glück zerstören wollen. Du weißt doch«, er bleckte die Zähne, »die Hoffnung stirbt zuletzt.«
Lichtenfels reagierte nicht, ging neben ihm her.
»Und was ist«, fragte sie ein paar Schritte weiter, »wenn Sebastian … wenn ihm die Sache zu viel wird und er abspringt?«
Torberg zuckte mit den Schultern. »Völlig gleichgültig, dann machen wir es eben ohne ihn.«
Sie nickte, hatte die Antwort ohnehin schon gekannt.
6
Rainer Torberg legte die Stirn in die Hand. Irgendwie war Dimsch ja ein ganz witziger Typ, beruflich aber leider völlig unbrauchbar. Zuletzt waren bei ihm offensichtlich auch einige Sicherungen durchgebrannt. Rainer betrachtete das vor ihm ausgebreitete Arbeitsergebnis des Glücksbeauftragten der Secur AG. Dimsch hatte monatelang über nichts anderem gebrütet als über dem philosophischen Teil der Glücksversicherung – alle anderen Aspekte, also die entscheidenden, hatte ihm das Projekt-Team abgenommen –, und dennoch war Torberg genötigt, sich beim Beugen über die Glücksbroschüre, die längst hätte fertig sein sollen, mit nur drei Seiten zu beschäftigen. Beinahe eine Seite nahm allein Dimschs wahnwitziges Vorwort ein:
Liebe Sucherin, lieber Sucher des Glücks!
Nun ist es ja so, dass ich der Erfinder der Glücksversicherung bin und auch der Verfasser dieses Handbüchleins. Aber, liebe Leserin, lieber Leser, lass Dich nicht täuschen: Auch ich habe keinen Schimmer, wie Glück dauerhaft gewonnen werden kann. Die Lektüre der Weisheiten, die ich zusammengetragen habe, verhilft mir stets nur vorübergehend zu Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht.
Wenn es Dir auch so ergehen sollte, verzweifle nicht. Trösten wir uns mit der Erkenntnis aller großen Philosophen, wonach der Weg zum richtigen Leben, und damit zum
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