Der Gluecksmacher
sagte ihr PR- und Marketingchef, »klar, kein Problem.«
Rainer Torberg hatte den Glaskubus bereits verlassen und ging, verärgert über ihre ruppige Antwort, mit ausladenden Schritten Richtung Stiegenhaus. Plötzlich rief die Chefin der Secur AG seinen Namen. »Ich mach’s, Rainer! Geht in Ordnung!« Sie stand in der Tür und streckte den Daumen in die Höhe.
3
Seit er das erste Mal über das wahre Glück nachgedacht hatte, kam er nicht mehr los davon. Meist war seine Meinung gewesen, dass es enorm schwierig sein müsse, dauerhaftes Glück zu erreichen, aber doch machbar irgendwie. Wie eine weit, eine sehr weit entlegene Möglichkeit schien es ihm.
Und dann die letzten Monate. Wie viel war geschehen! Endlich Bewegung, endlich Dynamik. Näher, zusehends näher gerückt war das Glück, war herangewachsen, in Griffweite schon. Und auch alle rundum glaubten fest daran, bedrängten ihn, sich zu beeilen, motivierten ihn. Eine Sensation lag in der Luft. Sebastian Dimsch spürte das Schicksal drängeln.
Bedenken am Gelingen oder gar am Sinn des Projekts störten immer seltener seine Gedanken. Im hellen Schein der Zuversicht wollten sich keine Zweifel blicken lassen. Abgetaucht waren sie, und niemand in der Versicherung mochte hinsehen, niemand sich verderben das Glück.
Dimsch räumte sein Büro auf, gleich würde das Projektteam bei ihm zusammentreffen. Er sammelte aufgeschlagene Bücher ein, mit gelben Zettelchen markierte Fachjournale und Dutzende Zitatblätter, die er, der besseren Übersicht wegen, nun auch auf Tisch und Boden ausgebreitet hatte.
Du kannst dir deiner nie sicher sein,
stand auf einem der Blätter. Dimsch fing mit dem Aphorismus nichts an, erinnerte sich nicht mehr, dass er Absicht versus Tat gemeint hatte.
Unterhaltsamer war ihm eine Bemerkung von Epiktet:
Er machte sich zum Schauspiel durch sein törichtes Benehmen.
Den anderen Zettel knüllte Dimsch zusammen, warf ihn Richtung Papierkorb, den er jedoch verfehlte. Er griff nach dem Knäuel, das unter den Heizkörper gerollt war, und dafiel ihm auf, dass die Maus schon lange nicht zu Gast gewesen war.
Die Stimmen Eva Fischers, Lara Lichtenfels’ und Rainer Torbergs auf dem Gang ließen ihn aufblicken. Gleich darauf klopfte es.
Als es darum gegangen war, ausgerechnet sein schäbiges Zimmer zum Treffpunkt des Projektteams zu machen, hatte er sich dagegen gesträubt. Immer wieder würde er sein geordnetes Chaos wegräumen müssen, und seine Maus empfände die Treffen gewiss ebenfalls als störend. Beide Argumente, hatte Dimsch bemerken müssen, konnte er schwerlich ins Treffen führen. Zudem schwärmten alle von der so außergewöhnlich anregenden Atmosphäre, die in seinem Büro herrsche, angesichts all der Lebensweisheiten an den Wänden. Außerdem, hatte Torberg ergänzt, sei er schließlich der Chef des Projekts, der
Papst
des Glücks, da sei es doch nur gerecht, dass er sie zur Audienz empfange.
Gewiss, es waren Phrasen gewesen, aber Dimsch hatten besonders Torbergs Argumente überzeugt. Wie überhaupt er Rainer zuletzt in einem viel vorteilhafteren Licht sah. Er blieb ein gefallsüchtiger Poseur, aber sei’s drum, von allen Beteiligten legte er sich am stärksten ins Zeug. Die Glücksversicherung schien ihm, warum auch immer, ein persönliches Anliegen geworden zu sein. Niemand anderer interessierte sich so sehr für die wissenschaftlichen und philosophischen Hintergründe des Projekts. Oft geschah es, dass Rainer anrief und beinahe schüchtern fragte, ob er zu ihm kommen dürfe, auf einen Gedankenaustausch, wie er es nannte. Anfangs hatte Dimsch die Besuche als pure Störung empfunden, doch nach und nach fand er Gefallen an den Einwürfen des PR- und Marketingchefs. Nicht selten nämlich passierte es, dass TorbergsBemerkungen ihn auf einen neuen, nützlichen Gedanken brachten oder einen Aspekt, dem er bisher zu wenig Beachtung geschenkt hatte.
Weniger der Inhalt seiner Fragen als die Art, wie er sie stellte, hatten Dimsch zuletzt in der Annahme bestärkt, dass sich Rainer Torberg nicht nur aus beruflichen Gründen für die Glücksversicherung interessierte. Wie ausgewechselt schien er, wenn sie sich übers Glück unterhielten, und Dimsch fragte sich, welcher der beiden Torbergs nun der echte war – der PR- und Marketingtyp oder der Glückssucher.
Torbergs Interesse weckte etwa die Glücksformel der amerikanischen Forscherin Sonja Lyubomirsky, in der sie neben Lebensumständen auch den Genen große Bedeutung beimaß.
»Zwanzig
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