Der goldene Buddha
Schutz der Nacht und der abnehmende Mond uns nicht zugute«, merkte Franklin Lincoln an.
Sein Freund Hali Kasim konnte nicht widerstehen. »Wie schade, Frankie – wo du doch so nahtlos mit der Dunkelheit verschmilzt.«
Lincoln drehte sich zu Kasim um und verpasste ihm einen Nasenstüber. »Schon in Ordnung, Kaz. Für euch lilienweiße Hugh-Grant-Typen wird es auch nicht unbedingt einfacher.«
»Der Transport ist noch ungeklärt«, sagte Cabrillo und ignorierte die beiden. »Der goldene Buddha wiegt zweihundertsiebzig Kilo.«
»Vier Männer auf jeder Seite könnten dieses Gewicht heben, ohne dass ihre Rücken zu stark beansprucht würden«, sagte Julia Huxley.
»Ich glaube, ich lasse Hanley und Nixon irgendwas basteln«, sagte Cabrillo. »Hat jemand einen Vorschlag?«
Sie fuhren mit der Planung der Operation fort – Macau lag nur noch eine knappe Tagesreise entfernt.
Legchog Raidi Zhuren, der Vorsitzende der Autonomen Region Tibet, las einen Bericht über die Kämpfe unmittelbar jenseits der Grenze in Nepal. Regierungstruppen hatten letzte Nacht nahezu dreihundert maoistische Rebellen getötet. Die kommunistischen Aufrührer wurden seit dem Frühling des Jahres 2002 zunehmend heftiger bekämpft. Nach mehreren Jahren anwachsender Rebellenaktivität hatte die nepalesische Regierung sich bedroht gefühlt und schließlich hart durchgegriffen. Aus den USA waren Militärberater angereist, Angehörige der Green Berets, um die Attacken zu koordinieren.
Die Zahl der Opfer war umgehend in die Höhe geschnellt.
Damit die Kämpfe nicht auch auf Tibet übergriffen, hatte Legchog in Peking zusätzliche Grenztruppen zur Bewachung der Hochgebirgspässe angefordert. Präsident Hu war alles andere als erfreut gewesen, weil die Kosten der Sicherung Tibets in einer Zeit anstiegen, die eigentlich von Sparmaßnahmen geprägt sein sollte. Darüber hinaus verliehen die ausländischen Militärberater der Situation eine besondere Brisanz. Falls auch nur ein einziger amerikanischer Soldat von chinesischen Grenztruppen verwundet oder getötet wurde, befürchtete Hu eine unkontrollierbare Kettenreaktion, an deren Ende China eine Art neue Koreakrise erleben würde.
Legchog Zhuren konnte nicht ahnen, dass Hu Tibet allmählich als eine Belastung empfand, nicht als Aktivposten – falls das tibetische Volk sich zu einem allgemeinen Aufstand entschloss, drohte China womöglich ein neues Massaker wie auf dem Platz des Himmlischen Friedens. In der Welt herrschte eine andere Stimmung als 1989. Nach dem Niedergang des Kommunismus in der Sowjetunion und dem immer besseren Einvernehmen zwischen Russen und Amerikanern könnte jedes militärische Vorgehen gegen die tibetische Bevölkerung zu einem Zweifrontenkrieg führen.
Die USA könnten Luftangriffe von ihren Flugzeugträgern im Golf von Bengalen und den Basen im besetzten Afghanistan starten, während gleichzeitig russische Truppen aus Kirgisistan, Kasachstan und dem äußersten Osten Russlands in Nordtibet einmarschierten. Die Folge wäre absolutes Chaos.
Und wofür? Für ein kleines armes Bergland, das China widerrechtlich besetzt hatte?
Das war das Risiko nicht wert. Hu benötigte einen eleganten Ausweg – und zwar schnell.
8
Winston Spenser nahm Stift und Papier und rechnete seinen Gewinn aus. Der goldene Buddha war für zweihundert Millionen Dollar ersteigert worden. Seine Kommission betrug drei Prozent, also sechs Millionen. Kein kleiner Betrag. Genau genommen war es sogar mehr als fünfmal so viel, wie er im letzten Jahr verdient hatte – aber nur ein Klacks im Vergleich zu der Summe, die er für den Wiederverkauf erzielen würde.
Von dem Scheck über sechs Millionen Dollar musste er zunächst die Kosten des Duplikats abziehen. Die Fälscher in Thailand hatten fast eine Million dafür verlangt. Hinzu kamen die Transportkosten von Genf nach Macau und weiter zum A-Ma-Tempel. Die Firma hatte für ihre Dienste eine bei weitem zu hohe Pauschale von einer Million Dollar berechnet. Um keinen Verdacht zu erregen, hatte Spenser dem Milliardär nur ein Zehntel davon in Rechnung gestellt. Eine weitere Million veranschlagte der Brite für Bestechungsgelder. Manche davon hatte er bereits gezahlt, andere würden in den nächsten Tagen fällig werden, wenn der echte Buddha aus Macau in die Vereinigten Staaten transportiert werden sollte. Als Folge davon war Spenser derzeit pleite.
Der Kunsthändler hatte all seine Ersparnisse und Kreditrahmen ausgeschöpft – ohne den Kommissionsscheck, der
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