Der goldene Esel
schüttelte sie das Haupt und sprach bei sich selbst: ›Wie, ich, der Natur erste Mutter, der Elemente Urheberin, des ganzen Alls ewige Erhalterin, ich soll mit einer Sterblichen die Ehre der Anbetung teilen? Mein himmlischreiner Name soll an irdischer Niedrigkeit entweiht werden? Wie? Ein Kind des Todes soll gemeinschaftliche Opfer mit mir haben? soll mich der Ungewißheit fernerer Verehrung bloßstellen? soll mein Bild auf Erden sein? Mein Bild? So hätte ja Paris, dessen Treue und Gerechtigkeitsliebe der große Jupiter selbst billigte, mir vergebens den Preis der Schönheit vor so großen Göttinnen zuerkannt? Nein! Wer sie auch sei, sie soll sich wahrlich lange der angemaßten Ehre nicht freuen! Soll nur zu bald selbst diese ihre freventliche Schönheit verfluchen!‹
Und sogleich rief sie ihren Sohn, den geflügelten, kühnen Knaben, der mutwillig und frech aller Zucht spottet; des Nachts in den Wohnungen der Sterblichen umherschweift, die Eheleute verführt, die größten Ruchlosigkeiten ungestraft ausübt und überall nichts als Unheil stiftet.
Diesen, von Natur schon zur Bosheit geneigt, reizt sie nun durch Worte noch mehr an. Sie führt ihn in die Stadt, wo Psyche, denn so heißt die Prinzessin, sich aufhält: zeigt sie, ihm, erzählt ihm die ganze Geschichte von Psychens Wetteifer mit ihr um den Vorzug der Schönheit, ruft endlich seufzend und mit dem Ausdrucke des allerheftigsten Unwillens:
›Bei dem Bande der mütterlichen Liebe, das mich mit Dir vereint, mein Sohn, bei Deiner Pfeile süßen Wunden, bei der seligen Glut, welche deine Fackel entzündet – beschwöre ich, flehe ich Dich an: Verleihe Deiner Mutter Rache, volle, überschwengliche Rache, züchtige diese freche Schönheit andern zur Scheu! Besonders aber erfülle mir dies Einzige, dies vor allem anderen Wichtigste: Verwunde das Mädchen mit der allerheftigsten Liebe zu dem niedrigsten der Menschen, dem das Schicksal Ehre, Gut und Gesundheit geraubt hat; ja, der so verworfen ist, daß er auf dem ganzen weiten Erdboden nicht seinesgleichen an Elend finden mag!‹
Nachdem sie so geredet, umarmt sie den Sohn lange und innigst mit süßen Küssen, begibt sich nach dem nahen Gestade des Meeres und schwebt mit rosigen Füßen über den obersten Schaum gekräuselter Wellen dahin.
Sie hatte kaum die Höhe des tiefen Meeres erreicht, siehe, so sind auf ihren bloßen Wunsch, als auf einen längst vorhergegebenen Befehl, alle Meergottheiten dienstwillig um sie her versammelt. Da sind des Nereus Töchter und singen im Chor, da ist Portunus mit langem, blauen Barte, und Salacia, den Schoß von Fischen schwer, und der kleine Delphinenritter Palämon. Der Tritonen Scharen durchschneiden hin und wieder des Meeres glänzende Fläche; einer bläst lieblich auf der tönenden Muschel, ein anderer schützt mit seidenem Schirme vor der Hitze der feindseligen Sonne, dieser trägt der Göttin einen Spiegel vor, noch andere unterstützen schwimmend den zweispännigen Wagen. In diesem Aufzuge begibt sich Venus zum Ozean.
Unterdessen gereicht Psychen ihre sich selbstfühlende Schönheit keineswegs zum Glück. Ein jeder staunt sie an. Ein jeder bricht über sie in Lobeserhebungen aus. Allein nicht ein einziger, nicht König, nicht Fürst, noch jemand vom Volke begehrt ihrer und wirbt um sie. Man bewundert sie, und das ist alles. Man bewundert sie gleich einer Bildsäule von Meisterhand. Ihre beiden älteren Schwestern hingegen, deren mäßige Schönheit kein Ruf fernen Völkern gepriesen hatte, waren früh an königliche Freier verlobt und genossen jetzt schon das Los glücklicher Ehen.
Allein in ihres Vaters Hause zurückgeblieben, ohne Hoffnung, jemals die seligen Freuden der Liebe zu genießen, weint die unglückliche Psyche ihre leeren Tage hin. Sie dünkt sich in einer öden Wüste verlassen, wird krank an Körper, krank an Seele; ihre Schönheit, welche die Bewunderung ganzer Nationen ausmacht, ist ihr selbst ein Greuel.
Ihr Vater betrübt sich darüber nicht weniger als sie selbst. Er glaubt endlich, irgendeine zürnende Gottheit müsse ihren Haß auf seine Tochter geworfen haben. Daher befragt er das uralte Orakel des milesischen Gottes. Er denkt, vielleicht durch Flehen und Opfer von dieser mächtigen Gottheit für seine verschmähte Tochter einen Gemahl zu erhalten. Allein Apoll antwortete ihm:
›Stelle die Tochter, zur Hochzeit wie zur Leiche geschmücket,
Auf des erhabensten Berges felsigen Gipfel dahin.
Ihr ist von sterblichem Stamm kein
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