Der goldene Greif
gehabt hatten, war für die Pferde erfr i schend gewesen.
„Wir müssen es riskieren und schnell reiten“, sagte Namur, „auch wenn das Schütteln Wer i gan vielleicht schaden könnte. Doch je eher wir ihm Ruhe und die Wärme eines Lagerfeuers bieten können, desto besser für ihn. Wenn wir nie zu lange ra s ten, könnten wir die Grenze von Cygon vielleicht schon in zwei Tagen erreichen. In den Wäldern an der Furt können wir uns verbergen, und wir finden dort, was wir zum Überleben brauchen. Achtet nur darauf, daß die beiden Pferde gleichmäßig galoppieren, dann dürfte das Schaukeln nicht so stark sein.“
Die Männer wichen ein wenig aus der Richtung ab, um der eventuell zurückreite n den Eja und ihren Männern nicht in die Hände zu fallen. Zu ihrer Befriedigung fing es wieder an zu schneien, und so wurden ihre Spuren bald verdeckt. Nur Eja würde sie jetzt noch aufspüren können, doch die Moradin hofften, daß ihr Vorsprung groß genug war und daß die Verfo l gung Raigos die Königin lange genug beschäftigen würde.
Sie ritten bis tief in die Nacht hinein, nur hier und da in Schritt verfallend, um die Pferde nicht zu sehr zu erschöpfen. Dann schliefen sie einige Stunden dicht an ihre Pferde gedrückt und Werigan mit ihren Körpern wärmend. Er hatte das Bewußtsein nicht wiedererlangt. Aber er lebte noch, und Namur begann, Hoffnung zu schö p fen.
Auch am nächsten Tag ritten sie nur mit kurzen Pausen. Einmal mußten sie einen weiten Bogen schlagen, denn sie hatten in der Ferne die Zelte eines Cygonenstammes ausg e macht. Zwar hatten sie befürchtet, eventuell auf herumstreifende Mi t glieder des Stammes zu stoßen, doch dieses Risiko hatten sie eingehen müssen. Namur hatte sich geweigert, sich irgendwo zu verbergen, um erst im Dunkel der Nacht weiterzureiten.
„Wir können schon wegen Werigan nicht mehr Zeit verschwenden“, hatte er kateg o risch erklärt, „und dann ist ja gar nicht gesagt, daß wir überhaupt auf einen Cyg o nen stoßen. Und wenn, weiß ja von diesen Nomaden keiner, wer wir sind. Wenn wir ihnen erzählen, daß Werigan eine ansteckende Krankheit hat, wird man uns sehr schnell weiterziehen lassen.“
So hatten sie außer Sichtweite das Cygonenlager umritten und waren dann wieder in ihre alte Richtung zurückgekehrt. Doch dann gegen Abend konnten sie nicht weiter. Die Pferde waren erschöpft, und auch die Männer waren von Anstrengung und Hunger gezeichnet. A u ßerdem machten ihnen die ungenügend versorgten Wunden zu schaffen. So blieb ihnen nichts and e res übrig, als noch eine weitere Nacht in Cygon zu verbringen, in der Hoffnung, daß Eja ihr Entkommen noch nicht bemerkt hatte.
Sie lagerten in einer kleinen, mit dichtem Buschwerk bestandenen Senke, die ihnen Schutz vor dem eisigen Wind und genug Holz für ein kleines Feuer bot, das von der Ebene aus nicht zu sehen war. Die Pferde scharrten mit ihren Hufen den Schnee beiseite und rupften hungrig das winterfahle Gras. Ein wenig neidisch sahen die Männer ihnen zu. Sie hatten zwar ihren Durst mit geschmolzenem Schnee löschen können, aber der Hunger brannte in ihren Eing e weiden. Mißmutig betrachtete sie die zahlreichen Hasenfährten im Schnee. Storn legte zwar über Nacht ein paar Schlingen aus, doch als er ein paar Stunden später nac h schaute, hatte sich noch nichts darin gefangen. So konnten sie nur hoffen, der Gefahr bald entronnen zu sein und damit die Gelegenheit zu erhalten, ihrem Mangel abzuhelfen.
Daher brachen sie schon vor der Morgendämmerung auf und ritten der Grenze en t gegen, die nun nicht mehr fern war.
15. Die Rückkehr des goldenen Greifen
Am nächsten Morgen, als die Sonne schon hoch stand, riß das Geräusch von Pfe r dehufen von jenseits der Furt Raigo aus dem Schlaf.
,Reiter!’ dachte er verwirrt. ,Warum warnt Handur nicht?’
Das konnten doch nur die Cygonen sein, die nach Eja suchten. Er ergriff das Schwert und sprang auf. Vom anderen Ufer des Flusses näherten sich vier Reiter der Furt, die zwei led i ge Pferde führten. Diese beiden schienen eine Last zwischen sich zu transportieren. Raigo konnte die Reiter noch nicht erkennen, doch sie trugen nicht die eigenartig geformten Mü t zen der cygonischen Soldaten. Jetzt überquerten sie die Furt, und dann - Raigo stieß einen schluchzenden Schrei aus. Er warf sein Schwert zu Boden und stürzte den Reitern entg e gen.
Und dann lagen sich die Freunde in den Armen, und keiner von ihnen schämte
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