Der goldene Greif
gehabt, der sie vor Ermüdung schützte und der die Wucht ihrer Schläge verstärkte. Doch nun konnte sie keine neue Energie mehr aus der Macht des Dämonen ziehen, die wie ein unsichtbarer Schleier über Cygon lag, denn sie hatte seinen Bannkreis verla s sen.
Raigo dagegen schien neue Kraft zu schöpfen, und Ejas Wut wich der Verzweiflung. Sie e r kannte plötzlich, daß ihr Schicksal besiegelt war. Blitzschnell erwog sie, sich ihm zu Füßen zu werfen und um Gnade zu flehen. Konnte er wirklich eine so sch ö ne Frau töten, die bittend vor ihm im Staub lag? Würde er sich wirklich nicht daran erinnern, was er in ihren Armen empfunden hatte?
Doch ihr Stolz ließ nicht zu, daß sie um ihr Leben bat, nicht ihn - nicht diesen Mann, der sie so schwer gekränkt hatte! Erneut flammte ihr Zorn auf, und nochmals drang sie heftig auf Raigo ein.
Doch da fuhr ihr das singende Schwert durch die Brust, und sie sank blutüberströmt zu B o den. Ein letzter, haßerfüllter Blick traf Raigo - dann war Eja tot.
Schwer atmend stützte sich Raigo auf sein Schwert und sah auf sie nieder. Ihr la n ges Haar breitete sich wie ein rotseidener Fächer um ihr selbst im Tode schönes Gesicht. Ein leises Bedauern schlich sich in sein Herz, und er fragte sich, ob ihr Tod die einzige Lösung gew e sen war. Warum nur war dieses herrliche Geschöpf so böse gewesen? War das ihr wirkl i cher Charakter gewesen, oder hatte nur der von Geburt an auf sie wirkende Fluch des D ä monen sie zu dem gemacht, was sie war? Hätte sie nicht - fern von der Quelle dieser ve r derblichen Macht - eine normale Frau werden können? Vielleicht hätte er sie nur von Cygon fortbringen müssen.
Doch dann stiegen die Gesichter der Freunde vor ihm auf, deren Blut nun wohl durch Ejas Schuld den Boden von Cygon tränkte. Das traurige Gesicht des mißgestalteten Timio gesel l te sich dazu, und dann dachte er an all die Männer, die zu Ejas Vergnügen auf Thorakors Altar den entsetzlichsten Tod gefunden hatten, dem diese Frau auch ihn selbst hatte übe r antworten wollen. Nein, Eja hätte sich nie verä n dert! Ihr schreckliches Tun hatte ihr Freude bereitet.
Der Schrei eines Adlers riß Raigo aus seinen Gedanken. Er sah auf, und zu seiner großen Freude e r blickte er Argin, der sich kurz darauf auf seinem Arm niederließ.
„So sind wir also allein übriggeblieben“, murmelte Raigo, während er Argins Gefieder krau l te. „Doch wie kann ich mich der Freude über deine und Ahaths Treue hi n geben, wo ich fünf Freunde verloren habe? Wie kann ich je die Belohnung Mynthars genießen, die mir nur durch ihr Opfer zufallen wird? Nie wieder kann ich Vangor unter die Augen treten, der mir voll Vertrauen seine besten Männer sandte. Was habe ich getan, um ihnen ihr Schicksal zu ersparen? Ich hätte an ihrer Seite käm p fen müssen!“ Dann fiel sein Blick wieder auf Eja. „Ich kann sie hier nicht so liegen lassen, den wilden Tieren zum Fraß. Wenn sie auch schlecht war, so war sie doch eine Königin und eine sehr schöne Frau. Es wäre mir unerträglich zu wissen, daß dieser herrliche Leib von gierigen Mäulern zerrissen wird.“
Mit großer Anstrengung hob er die Tote auf seine Arme und trug sie zum Fluß hi n unter. Er legte sie am Rande des sandigen Ufers nieder. Dann begann er, den Kö r per mit Steinen zu bedecken.
Als er sein Werk vollendet hatte, war er am Ende seiner Kräfte, Trotzdem ging er noch ei n mal zurück, holte Ejas Schwert und steckte es oben in den Steinhügel. I r gendwann würden die Cygonen das Grab finden, und dann sollten sie wissen, daß hier ihre Königin lag. Dann kehrte er mit schleppenden Schritten zu dem Platz zurück, an dem er geschlafen hatte. A r gin hatte sich, als Raigo zum Fluß ging, in die Lüfte geschwungen. Nun kam er zurück, in den Fängen einen großen Hasen, den er zu Raigos Füßen niederlegte. Das kluge Tier schien zu wissen, daß sein Herr Na h rung bitter nötig hatte.
Obwohl Raigo keinen Hunger verspürte, entzündete er ein Feuer und häutete den Hasen. Zum Glück war in Ahaths Satteltaschen alles verblieben, und so hatte er s o wohl ein Messer als auch genügend Zunder und Feuerstein. Als das Fleisch braun und knusprig war und Raigo den ersten Bissen in den Mund steckte, merkte er erst, wie ausgehungert er war.
Gestärkt durch die langentbehrte Nahrung saß er danach am Feuer und dachte da r über nach, was er nun tun sollte. Er mußte zurück zum Thron der Götter, um seine Aufgabe zu vollenden.
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