Der goldene Kelch
Herrschaften aufzuwarten; er wollte sehen, ob ich ein Stück Honigkuchen in meinem Gürtelband verschwinden lasse oder eine Traube stibitze. Um mich auf die Probe zu stellen, hat er mir auch irgendwelche erfundenen Geheimnisse anvertraut.“ Heqet hielt lächelnd inne. „Du brauchst keine Angst zu haben, Ranofer. Ich kann den Mund halten.“
Ranofers Wangen brannten wie Feuer. „Ich muss mich bei dir entschuldigen“, murmelte er. „Kein Problem, ich bin dir nicht böse.“ Die Jungen wandten sich wieder ihrer Aufgabe zu und arbeiteten eine Weile schweigend. Dann sagte Heqet fröhlich: „Wenn das alles ist, ist das die leichteste Arbeit, die es gibt!“
Ranofer schreckte aus seinen Gedanken auf. „Das ist erst der Anfang… Ich fürchte ich bin nicht ganz bei der Sache. Wo habe ich nur meinen Kopf – sagte der Esel, als… als…“
„Sagte der Wurm, als ihm die Amsel den Kopf abbiss“, kam ihm Heqet schlagfertig zu Hilfe. Sie kicherten. „Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was ich von diesen Scherzen halten soll“, sagte Ranofer und zog die Form zu sich heran.
„Ich auch nicht“, gab Heqet heiter zurück. „Sind wir fertig mit Schneiden? Da ist noch was übrig.“
„Das machen wir später. Schür jetzt das Feuer. Siehst du diesen Brocken Holzkohle mit der Höhlung? Und diese lustige Gussform da?“
Während er die Holzkohle an einer Seite der Form befestigte, erklärte er Heqet schnell, warum sie die Gussform aus Schamotte nahmen – eine flache Form aus Stein mit einer bandförmigen Vertiefung in der Mitte und kleinen Rillen, über die die Luft entweichen konnte. Mit einem kleinen Maßlot schöpfte er Metallstückchen aus den drei Schalen und gab sie in die Höhlung. „Erst das Gold, dann das Kupfer. Aber nicht zu viel davon! Kupfer gibt der Legierung eine satte Farbe, aber man muss auch noch Silber untermischen, damit sie geschmeidig wird. Stell das jetzt aufs Feuer. – Bei Amun! Nicht die Form – die Holzkohle soll doch heiß werden. Dreh das Ganze um!“
„Du hast Recht. Ich bin ein Esel!“, sagte Heqet übertrieben demütig.
Ranofer musste lachen, dann aber sagte er ernst: „Nein, Heqet, du bist kein Esel. Du hast gleich begriffen, warum ich dich nach deinem Elternhaus gefragt habe.“
„Ich bin dir doch nicht böse, Ranofer! Nur ein Dummkopf würde Bier in einen Krug leeren, ohne sich zu vergewissern, dass er auch nicht leckt. Die Holzkohle glüht jetzt.“
Die Jungen beugten sich über den Ofen. „So!“, sagte Ranofer, als die Metallstücke flüssig wurden. „Jetzt vorsichtig kippen!“
Sie sahen zu, wie die trübe Schmelze aus der gehöhlten Holzkohle in die Steinform lief, an der sie befestigt war. Kurz darauf klopfte Ranofer ein dünnes, flaches Stück Legierung aus der Form und zeigte es Heqet. „So sieht das dann aus. Mach du das nächste Stück, ich schneide solange weiter. Dabei erzähle ich dir, was… was hier vor sich geht.“ Ranofer blickte sich im Hof um. Alle waren beschäftigt, Ibni war nirgends in Sicht. Er nahm die Zange, Heqet das Maßlot. Sie arbeiteten so dicht nebeneinander, dass ihre Köpfe fast zusammenstießen. Ranofer holte tief Luft, zögerte noch einmal bange, dann aber legte er ohne Umschweife los. „Ich weiß, wer das Gold stiehlt.“
„Beim Barte des Schöpfers!“ Heqet fuhr auf. Sein Mund stand vor Verblüffung offen.
„Pst! Ich weiß, wer es stiehlt, und ich weiß auch wie.“
„Aber… aber bist du dir da sicher?“
„Ja.“
„Das ist ja toll! Du musst sofort mit Rekh sprechen, er – “
„Pst! Leise! Ich will ja mit Rekh sprechen, aber das geht nicht, ich kann nicht.“
„Wieso nicht?“
„Weil ich dem Dieb geholfen habe.“ Heqet wurde still. Ranofer wagte nicht, ihm ins Gesicht zu sehen; er flüsterte: „Ich wusste nicht, dass ich dem Dieb half. Ich wusste ja nicht einmal, dass Gold fehlte, bis es mir Rekh vor zwei Tagen gesagt hat. Ich habe mir überlegt, wie das vor sich gegangen sein könnte.“ Er sah Heqet verzweifelt an. „Die Weinschläuche!“
„Weinschläuche?“
„Du warst doch gestern dabei, als Ibni mir einen Weinschlauch geben wollte. Ich habe sie früher immer nach Hause gebracht. Monatelang. Dabei hatte ich keine Ahnung… Ibni ist nur der Handlanger von meinem Halbbruder. Und mich hat er auch benutzt!“ Heqet sah Ranofer in die Augen. Sein Blick war offen. Er verstand.
Da schallte plötzlich das Gebrüll des Ersten Gesellen über den Hof. „He, ihr Träumer! Hört endlich auf, euch gegenseitig
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