Der goldene Kelch
setzte ein solch eingebildetes, hochmütiges Gesicht auf, dass Ranofer und der Alte unweigerlich in schallendes Lachen ausbrachen. Heqet warf die Trauben wieder auf den Boden und fuhr fort: „Weder mir noch dir, Ranofer, schenkt man mehr Beachtung als tausend anderen Jungen in Theben auch, solange wir niemandem über die Füße stolpern. Wir müssen uns nicht erst durch irgendeinen Zauber unsichtbar machen. Ich für meinen Teil bin bereit, Wenamun Tag und Nacht zu beschatten – natürlich wenn ich nicht im Goldhaus bin. Und selbst dort – “ Er hielt inne, seine Augen leuchteten. „Was ist denn?“, drängte Ranofer.
„Ich hab eine Idee! Ich kann sogar noch viel mehr tun. Du weißt doch, dass die Goldschmiede der ganzen Stadt einander warnen, wenn in einer Werkstatt gestohlen wird.“
„Ja, ich weiß. Rekh hat Sata zum Goldhaus seines Bruders und zu anderen Werkstätten in der Straße geschickt.“
„Genau! Ich werde also meine Ohren aufsperren wie unser grauer Lotos! Wenn in einem Goldhaus gestohlen wird, werde ich es erfahren.“
Der Alte grinste breit. „Das ist wirklich eine gute Idee. So kommen wir der Sache möglicherweise näher.“ Heqet war nicht unterzukriegen. Er sah den Alten an und knurrte wie ein Hund. „Du hältst meinen Spionageplan offenbar für wertlos.“
„Nein, er ist sogar von unschätzbarem Wert!“ Er kicherte und schüttelte den Kopf, bis sein drahtiges Haar zitterte. „Spioniere, so viel du willst, mein Junge! Wahrscheinlich hast du Recht, keiner wird euch beachten. Vielleicht findet ihr ja was raus.“
„Beobachtest du den Fluss-Schiffer?“
„Ja, mach ich, auch wenn Setma kein besonders schöner Anblick ist, das könnt ihr mir glauben.“
„Und du folgst Gebu“, sagte Heqet zu Ranofer. „Ich werde mein Bestes tun, aber vielleicht wird er merken, dass ich ihm folge.“
„Hm, das stimmt, dich kennt er.“
„Egal. Ich werd’s auf jeden Fall versuchen“, sagte Ranofer. „Was kann schon passieren? Er wird mich verprügeln und nach Hause schicken, das ist alles.“ Das hoffte er zumindest. Denn was Gebu sonst noch tun könnte, wenn er merkte, dass Ranofer seine Nase in seine Angelegenheiten steckte, wusste Ranofer nicht. Und er zog es auch vor, nicht daran zu denken. Heqet musste Ranofers Gedanken erraten haben. „Pass bloß gut auf!“, sagte er mit besorgtem Blick. „So, dann wäre ja alles klar. Wir treffen uns wie üblich hier, so oft es geht, und tauschen aus, was wir in Erfahrung gebracht haben. Einverstanden?“
„Einverstanden“, sagte Ranofer feierlich. „Einverstanden“, sagte auch der Alte, jedoch alles andere als feierlich. Er kicherte immer noch vor sich hin. Ranofer fürchtete, er könnte den Plan für eine Kinderei halten.
Als sie ihre grüne Laube verließen und sich jeder wieder auf den Weg zu seiner Arbeit machte, gab ihm der Alte mit ernstem Gesicht ein Zeichen, dass er ihm hinunter zum Fluss folgen sollte. Das schelmische Funkeln in seinem Auge war verschwunden. „Komm mit, mein Junge.“
Er bog vom Pfad ab und zwängte sich durch die wild wuchernden Stauden und Gräser. Er schien das Röhricht so gut zu kennen wie Ranofer die Straße zum Krummen Hund. An einer schlammigen Stelle, wo im Winter das Flussufer war, dort, wo das Gestrüpp aufhörte und die Papyrusstauden begannen, blieb er vor einer niedrigen, grünen Pflanze mit breiten Blättern stehen. Er bückte sich, riss ein Blatt ab und zerdrückte es zusammen mit ein bisschen Fluss-Schlamm in seiner Hand. Er drehte den Jungen um und rieb die Paste vorsichtig auf Ranofers Rücken, der immer noch brannte wie Feuer. Die Schmerzen ließen sofort nach. Vor lauter Erleichterung stiegen Ranofer die Tränen in die Augen. Er drehte sich verwundert zu dem Alten um. Seine liebevolle Berührung hatte genauso viel Wunder gewirkt wie die Salbe. Der Alte lächelte.
„Ich habe nicht viel gelernt in meinem Leben, aber ein paar Sachen weiß ich schon.“ Dann wurde er wieder ernst. „Und nun möchte ich, dass du mir etwas versprichst.“
„Ja?“
„Folge Gebu nicht nach Einbruch der Nacht! Versprichst du mir das?“
„Versprochen!“
„Männern passiert meistens nichts, wenn sie in die Dunkelheit hinausgehen. Aber du bist noch kein Mann, und du weißt, dass die Kheftiu Kinder stehlen und mit ihnen davonfliegen, auch mit so halbwüchsigen Jungen wie dir. Bevor du dich in diese Gefahr begibst, ist es besser, dein Leben als Steinmetz zu verbringen.“
„Ja, ich weiß, Gevatter. Ich werde
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