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Der goldene Kelch

Der goldene Kelch

Titel: Der goldene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloise Jarvis McGraw
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bleiben.
    Als Ranofer schließlich innehielt und Luft holte, sagte er sofort:
    „Das ist es! Du hast Recht! Er hat doch Recht, Gevatter? Wie sonst kann ein Mann plötzlich so reich werden? Es sei denn, er wäre ein Günstling des Pharaos. Und das ist bei Gebu so unwahrscheinlich, wie dass ich über Nacht meinen Appetit verliere. Hier, nimm einen Fladen und Trauben, Ranofer!“, bot er an. „Und was machen wir jetzt?“
    „Ich weiß es nicht“, sagte Ranofer. Ihm fiel erst jetzt auf, dass er keine Ahnung hatte, wie sie vorgehen könnten. Fragend sah er den Alten an. In seinem Alter musste er alles wissen! Aber der alte Mann blickte die Jungen nur hilflos und nachdenklich an. Ranofer wandte seinen Blick ab, um nicht von dieser Hilflosigkeit angesteckt zu werden. Lauter als nötig sagte er: „Wir können bestimmt etwas tun! Wir können versuchen, mehr in Erfahrung zu bringen. Ich werde Gebu beobachten, werde ihm folgen und sehen, wohin er geht.“
    Er sagte das nur so dahin, ohne nachzudenken. Aber Heqet nahm ihn beim Wort. „Ja, genau! Folge ihm, so oft du kannst, beobachte, mit wem er spricht, versuche zu lauschen! Er hat bestimmt Komplizen. Die müssen wir finden! Wenamun, dieser Schleicher, ist bestimmt in die Sache verwickelt! Den kann ich beobachten; er wohnt nur ein paar Schritte vom Lehrlingshaus entfernt. Ha, wie Spione! Hat Gebu noch andere Freunde?“
    „Den Fluss-Schiffer. Ich weiß allerdings nicht, ob er etwas damit zu tun hat.“
    „Aha, ein Fluss-Schiffer! Natürlich brauchen sie einen Fluss-Schiffer!“ Heqet war nicht mehr zu bremsen. „Sie müssen das Gold aus der Stadt schmuggeln. Vielleicht nach Abydos. Hier würden sie nicht wagen, das Feingold gegen Kopftücher und Sandalen einzutauschen. Jemand könnte fragen, wie sie an das Gold gekommen sind. Was meinst du, Gevatter?“
    „Ja, du hast bestimmt Recht. So könnte es sein“, sagte der Alte langsam, so langsam, dass Ranofer ihm einen unsicheren Blick zuwarf. Aber Heqet sprach schon weiter:
    „Gevatter, du kannst dem Fluss-Schiffer nachspionieren. Nichts einfacher als das! Du bist doch den ganzen Tag am Fluss und gehst abends zu den Seilern am Hafen. Das ist doch eine Idee! Was bin ich für ein helles Kerlchen – sagte der Stein, als er sich im Kupfer spiegelte. Wie heißt der Fluss-Schiffer?“
    „Setma.“
    „Setma!“, rief der Alte aus. „Kennst du ihn etwa?“
    „Und ob! Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich ihn mag.“
    „Wenamun ist schlimmer“, sagte Ranofer schnell. „Und Gebu ist am schlimmsten“, fügte Heqet hinzu. Ranofer schaute dem Alten ins Auge. „Glaubst du mir eigentlich?“, fragte er leise. „Ich habe nie gesagt, dass ich dir nicht glaube, mein Junge.“
    „Du hast zu all dem nicht sehr viel gesagt“, sagte Ranofer unsicher. „Das stimmt.“ Seufzend griff der Alte nach Heqets Messer und schnitt ein Stück Lotoswurzel ab. „Ich fürchte eben, dass ihr beiden Hitzköpfe euch da in eine gefährliche Sache verrennt. Habt ihr euch mal überlegt, was passieren könnte, wenn die Männer euch beim Spionieren erwischen? Sie machen bestimmt kurzen Prozess mit euch!“
    „Wir sind ganz vorsichtig!“, rief Heqet aus. „Ich bin ein hervorragender Spion. Unhörbar und unsichtbar. Ein Edelmann hätte seine Freude an mir!“ Er blickte den Alten herausfordernd an. „Aber wenn du natürlich Angst hast, Gevatter…“
    Der Alte grinste. Die Sorgenfalten auf seiner Stirn wichen wieder seinen lustigen Lachfältchen und er ließ sein hohes Kichern hören. „Mögen es die Götter immer gut mit euch meinen! Ich? Wovor sollte ich Angst haben? Wer schenkt schon einem alten einäugigen Niemand wie mir Beachtung? Ich könnte einem Mann wochenlang auf den Fersen sein, bevor er mich überhaupt wahrnimmt und auch noch misstrauisch wird.“
    „Siehst du, so ist das auch bei uns“, pflichtete Heqet ihm eifrig bei. „Wer nimmt schon Notiz von zwei Jungen, besonders von zwei zerlumpten Gesellen wie uns?“
    „Du bist doch kein zerlumpter Geselle, Heqet!“, sagte Ranofer mit einem bewundernden Blick auf Heqets neuen Schendjti aus fest gewobenem Leinen. Ranofers Lendenschurz war aus fadenscheiniger Baumwolle und vom vielen Tragen schon ganz verschossen. „Auf jeden Fall bin ich nicht der Wedelträger zur Rechten des Königs“, entgegnete Heqet. „Gewiss haben wir beide unsere eigene, natürliche Schönheit – sagte das Nilpferd zur Ratte.“ Heqet nahm eine Traubenrispe und hielt sie sich wie eine Kette an den Hals. Er

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