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Der goldene Kelch

Der goldene Kelch

Titel: Der goldene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloise Jarvis McGraw
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nichts riskieren.“
    „Gut so. Und jetzt lauf!“
    Er hat Recht, dachte Ranofer, während er zur Werkstatt zurückeilte. Ich muss Heqet warnen. Heqet fürchtete sich vor nichts, bestimmt dachte er gar nicht an die Kehftiu.
    Dann aber erinnerte er sich, dass das Tor des Lehrlingshauses bei Einbruch der Nacht immer verschlossen wurde, da gab es keine Ausnahme. Heqet konnte Wenamun nachts gar nicht hinterherschleichen. Für ihre Beschattungen blieben ihnen also nur ein paar Stunden am Abend, bis es dunkel wurde; nun im Sommer war es jedoch länger hell als im Winter. Nicht auszudenken, was es bedeutete, wenn sie etwas herausfanden! Ranofer war entschlossen, noch am selben Abend mit der Suche zu beginnen.
    Nach der Arbeit ging er auf direktem Weg nach Hause und trödelte nicht noch lange in den Straßen herum wie sonst. Gebu war oben. Ranofer hörte, wie er in seinem Zimmer herumlief, aber er kam nicht herunter. Warum sollte er auch, dachte Ranofer zornig. Meinen Lohn für heute hat er ja schon!
    In der Vorratskammer fand er Wasser und etwas zu essen. Er setzte sich unter die Akazie und bereitete sich innerlich darauf vor, jede Bewegung Gebus zu verfolgen, sobald dieser sich sehen lassen würde. Doch Gebu ließ sich eine halbe Ewigkeit nicht sehen.
    Ranofer fielen schon fast die Augen zu und sein Kopf sackte immer wieder auf die Brust, da hörte er plötzlich, wie die Tür von Gebus Zimmer aufging und er die Stiege herunterkam. Ranofer war wieder hellwach. Gebu ging über den Hof, öffnete das Tor und trat auf die Straße. Sobald das Tor wieder zufiel, sprang Ranofer auf. Er stöhnte; die abrupte Bewegung hatte ihm wieder Schmerzen verursacht. Schnell rannte er zu einer Ecke des Hofes, wo er über Risse in der Wand und eine wilde Rebe auf die Mauer klettern konnte, und spähte auf die Straße. Gebu ging nach Osten in Richtung Fluss. Ranofer wartete, bis er ein gutes Stück entfernt war, sprang dann von seinem Ausguck, rannte zum Tor und öffnete es vorsichtig. Im Schatten von Hausmauern und Hofeinfriedungen folgte er der massigem Gestalt, die um die Ecke bog und die Hauptstraße entlangging bis zu einer geschlossenen Häuserzeile mit Dächern aus Palmwedeln; dort, am Hafen, verschwand er in einem Haus. Ranofer starrte auf die Tür, über der ein Weinschlauch hing. Er war er erleichtert, gleichzeitig aber auch enttäuscht. Er kannte diesen Ort, es war Mutras Schänke. Gebu ging oft zu Mutra, daran war nichts Geheimnisvolles. Er könnte sich dort natürlich mit jemandem treffen… Vielleicht heckten sie dort ihre krummen Dinger aus…
    Ich kann doch da nicht reingehen!, dachte Ranofer. Ich kann nur die Tür im Auge behalten und beobachten, wer kommt, um Gebu zu treffen. Heqet würde das Gleiche tun. Auf der anderen Straßenseite lagen ein paar Fischerboote kieloben, dazwischen waren Netze zum Trocknen gespannt. Ranofer kroch unter einen kleinen Nachen aus zusammengebundenen Papyrusbüscheln. Da der spitze Bug auf dem Boden auflag, konnte er unter dem gekrümmten Bootsrand hindurch mühelos die Tür beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Er musste lange warten. Es kamen viele Männer die Hauptstraße herunter, der eine oder andere ging auch in die Schänke und kam nach einiger Zeit wieder heraus, aber Ranofer kannte keinen von ihnen. Wenamun kam nicht, Setma kam nicht, und es kam auch sonst niemand, der, soweit er wusste, in einem Goldhaus arbeitete. Die Sonne war untergegangen, die Dämmerung senkte sich über die Straße, aber Gebu erschien immer noch nicht. Ein Mann mit einem dicken Bauch watschelte mit einer brennenden Fackel vor die Tür, steckte sie in die Halterung und watschelte wieder in die Schänke zurück. Ranofer wurde es unbehaglich. Verstohlen spähte er in den dunkler werdenden Schatten zwischen den Booten und suchte nach Kheftiu.
    Ranofers Glieder waren schon ganz verkrampft von seiner zusammengekrümmten Haltung und er wollte fast schon aufgeben und sich vor der Nacht zurückziehen, da ging die Tür auf und Gebu trat auf die Straße. Er ging direkt nach Hause.
    Ich muss ihn einholen, dachte Ranofer, ich muss vor ihm zu Hause sein, damit er nicht merkt, dass ich weg war. Wie soll ich das nur anstellen? Und wenn er nicht nach Hause geht? Wie kann ich wissen, wohin er geht, wenn ich ihm nicht folge?
    Von Panik überwältigt krabbelte er unterm Boot hervor und schlich leise hinter Gebu her, der arglos die Straße entlangging. Am Ende der Hauptstraße bog er ab; Ranofer wusste nun sicher, dass Gebu nach

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