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Der goldene Kelch

Der goldene Kelch

Titel: Der goldene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloise Jarvis McGraw
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und ihn packen. In panischer Angst fuhr Ranofer herum, blickte hinter sich und über sich und wich taumelnd vor einem unheimlichen Etwas zurück. Da passierten auf einmal drei Dinge gleichzeitig: Ein Schlag in seine Kniekehlen zog ihm den Boden unter den Füßen weg; er landete auf dem Hintern. Etwas Weiches, Körperloses umschlich ihn, scharfe Klauen packten ihn an der Schulter, die Nacht war voller unheimlicher, gellender Schreie. Ranofer wollte schreien, aber kein Laut kam aus seiner Kehle. Oder war sein Schrei von dem grässlichen Nachhall dieses anderen Geräusches verschluckt worden? Er wand sich aus den Klauen, die an ihm zerrten, er stolperte, fiel, rannte, hechtete aus der Gasse, und als der letzte grauenvolle Schrei verklungen war, zerrte er am Tor in der Straße zum Krummen Hund. Als es schließlich aufschwang, warf er einen letzen panikerfüllten Blick zurück – eine gekrümmte Gestalt schlich über eine Mauer, sie zeichnete sich scharf gegen den Sternenhimmel ab. Dann schlug das Tor hinter ihm zu. Zitternd und bebend lehnte er sich dagegen; er war zu schwach, um nur noch einen einzigen Schritt zu machen. Nach ein paar Minuten schleppte er sich immer noch bebend zur Akazie und ließ sich auf seine Matte fallen. Es dauerte eine Weile, bis sein Atem wieder normal ging, noch länger dauerte es, bis er aufhörte zu zittern. Am längsten aber dauerte es, bis er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Die vorbeihuschende Gestalt war ihm irgendwie bekannt vorgekommen. Da ertönte von der Straße ein leises, lang gezogenes Miauen. Das war’s! Im ersten Moment standen Ranofer die Haare zu Berge, gleich darauf brannte seine Haut vor Scham. Eine Katze! War das vorher nur eine Katze gewesen? War er etwa vor einer Katze davongelaufen wie vor einem Dämon? Ausgeschlossen! Und der Schlag in die Kniekehlen? Dieses weiche Etwas, das sich hinter ihn geschlichen hatte? Die Klauen? Seine Schultern brannten immer noch von den Kratzern; er konnte sogar die aufgerissene Haut fühlen. Er fühlte noch mal – hm, fühlte sich ganz so an wie Kratzer von Dornen. Vielleicht war er über eine Katze gestolpert, und die Katze hatte einen Satz gemacht und ihn an den Kniekehlen berührt. Das körperlose Etwas hinter ihm könnte durchaus das weiche Katzenfell gewesen sein.
    Ach, was bist du nur für ein Feigling!, schalt er sich ärgerlich. Vor nichts und wieder nichts bist du davongelaufen, bist in einen Dornbusch gefallen und hast eine Katze aufgeschreckt, die dann wiederum dich erschreckt hat! Nun wirst du Gebu nicht mehr finden, der kann inzwischen überall sein!
    Aber er könnte es zumindest versuchen. Er ging wieder zum Tor und öffnete es. Die Straße war so dunkel, so bedrohlich und so unheimlich wie zuvor. Auf der Mauer war nichts zu sehen. Aber war es wirklich eine Katze gewesen? Ein Khefti konnte jede Gestalt annehmen; jederzeit. Und der Dornbusch – können sich Dornen wirklich so anfühlen wie Klauen? Schaudernd starrte Ranofer in die Nacht.
    Nun, vielleicht war es eine Katze, vielleicht war es auch ein Dornbusch, vielleicht auch nicht, dachte er. Gebu war auf jeden Fall verschwunden.
    Er trat einen Schritt zurück und schloss das Tor. Dann vergewisserte er sich, dass der Riegel auch fest saß, denn dass es Katzen gab, hieß noch lange nicht, dass es keine Kheftiu auf der Welt gab. Das eine war so wirklich wie das andere, und gerade zu dieser Stunde trieben sich beide Wesen da draußen rum. Ranofer hatte nicht die geringste Lust, einem von beiden noch einmal zu begegnen.
    Das nächste Mal, wenn die Tür knarzt, werde ich ihm folgen, nahm sich Ranofer vor, während er zu seiner Matte zurückging. Das nächste Mal bestimmt! Es gab jedoch kein nächstes Mal. Ein paar Nächte blieb Ranofer wach, so lange er konnte, aber die Müdigkeit überwältigte ihn immer, bevor er die Tür hörte. Er änderte seine Vorgehensweise und legte sich früh schlafen, in der Hoffnung, dass sein Schlaf zu später Stunde so leicht war, dass er das Geräusch hören würde. Aber auch das führte nicht zum gewünschten Ergebnis. Er vermutete schon, dass es gar nichts zu hören gab. Selbst wenn er die ganze Nacht wachte, würde die Tür nicht knarzen, wenn Gebu nicht ausging. Und Gebu ging nicht aus. Heqet und dem Alten gegenüber hatte er nichts von seiner nächtlichen Zitterpartie erwähnt. Darüber war er ausgesprochen froh, denn es war schon demütigend genug, sich selbst eingestehen zu müssen, dass das ganze Geheimnis vielleicht längst

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