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Der goldene Kelch

Der goldene Kelch

Titel: Der goldene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloise Jarvis McGraw
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Gelegenheit fand, Gebu zu verraten, ohne sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. In der Zwischenzeit würde Gebu sicherlich einen anderen Schmuggler finden und den Kelch verschwinden lassen.
    Nein, heute Nacht muss ich es tun!, sagte sich Ranofer fest entschlossen. Es ist mir auch egal, ob Gebu die Tür versiegelt. Sobald er zur Schänke geht, hole ich den Kelch und laufe zu Djau, selbst noch um Mitternacht. Ich darf nicht mehr länger warten.
    Unterdessen ließ er sich das Festmahl schmecken – auch für den Morgen war noch genügend übrig – und genoss den Gedanken, dass Gebu endlich einmal eigene Sorgen hatte.
    Doch einige Stunden später musste er entsetzt feststellen, dass Gebu nicht die geringste Absicht hatte, das Haus zu verlassen. Na gut, dachte er missmutig. Der Kelch ist sicher auch morgen noch da. Dann hole ich ihn eben in der Mittagspause. Ich werde ihn finden, egal wo Gebu ihn versteckt!
    Am Morgen wachte er gerade rechtzeitig auf, um Gebu noch über den Hof zum Tor gehen zu sehen, unterm Arm ein Bündel Schendjtiu.
    Ranofer sprang auf. Er wartete eine Weile, um eine sichere Entfernung zwischen sich und Gebu zu legen, und schlich aus dem Hof. Gebu ging die Straße zum Krummen Hund hinunter Richtung Fluss, er bog in eine breite Straße ein, die nach Süden führte, und ging an den Fischerkais und der Anlegestelle vorbei. Ranofer ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. An einer allzu vertrauten Kreuzung bog Gebu plötzlich ab und ging geradewegs zur Steinmetzwerkstatt.
    Ranofer blieb in einem Eingang stehen und starrte Gebu verwundert nach. Alles hatte er erwartet – nur das nicht! Warum brachte Gebu den Kelch in die Werkstatt? Wie konnte er es wagen? Wo wollte er den Kelch verstecken? Es war verrückt!
    Sobald sich Ranofer sicher genug fühlte, lief er zur Werkstatt und versuchte, so zu sein wie immer. Er wagte jedoch nicht, sich nach Gebu umzusehen. Als Pai ihm seine erste Aufgabe gab, sah er, wie Gebu aus dem Lager kam. Von dem Bündel war nichts mehr zu sehen; seine Hände waren leer, die Arme baumelten an den Seiten. Gebu ging durch den Schuppen, sprach am Eingang kurz mit Pai und verschwand.
    Noch eine Stunde, bis Pai ihn ins Lager schicken würde, um eine Rolle zu holen! Im gleichen Augenblick als Pai ihm schließlich den gewohnten Befehl zuschrie, eilte Ranofer auch schon mit fliegenden Schritten über den rauen Boden. Im Lager suchte er fieberhaft nach irgendeinem Hinweis auf das Bündel, nach irgendeiner Ecke, wo Gebu es versteckt haben könnte. Nichts! In dem schummrigen Licht, das durch die Palmwedel des Daches drang, sah der Raum aus wie immer, drei Wände waren mit Regalen gesäumt, an der vierten Wand stand ein Schrank neben der Tür. Er war so staubig wie alles andere im Lager auch, die kleinen Klappen waren unversiegelt. Es konnten nur Werkzeug und Bohrsand darin sein. Ranofer vergewisserte sich, indem er verstohlen die Klappen mit den Fingernägeln öffnete, um keine Fingerabdrücke auf dem Staub zu hinterlassen – nichts außer Werkzeug und Bohrsand.
    Aber Gebu war doch mit dem Bündel ins Lager gegangen und ohne das Bündel wieder herausgekommen! „Ranofer!“, brüllte Pai wütend.
    Ranofer schnappte die Rolle und lief in den Schuppen. Er würde später noch mal nachsehen, er würde so oft nachschauen, wie er konnte. Der Kelch musste hier sein! Vor Verzweiflung stiegen ihm Tränen in die Augen. Am liebsten hätte er losgeheult. Wo war der Kelch? In den Regalen war er nicht, im Schrank war er nicht, und um ihn in eine Rolle zu wickeln, war er zu groß. Am Nachmittag schickte Pai ihn wieder ins Lager. Er durchstöberte hastig die Rollen und brachte alles schnell wieder in Ordnung. Niedergeschlagen starrte er auf den staubigen Schrank.
    An jenem Tag kam Gebu nicht mehr in die Werkstatt, und als er bei Sonnenuntergang nach Hause kam, hatte er kein Bündel bei sich. Ranofer verstand gar nichts mehr. Das Bündel und der Kelch hatten sich in Luft aufgelöst.

12
     
     
     
    Ein paar Tage lang ging Ranofer nicht in die grüne Laube. Er wagte nicht, Heqet von dem Kelch zu erzählen. Er würde bestimmt ganz aufgeregt sein, würde Beschattungspläne ausklügeln – nicht auszudenken, was er alles tun würde! Ranofer fürchtete, Heqet könnte nicht mehr zu bremsen sein und zu viel des Guten tun. Nur die Götter wussten, in welche Schwierigkeiten sie sich dadurch bringen könnten.
    Er konnte aber auch nicht so tun, als wäre nichts, und Heqet dabei in die Augen sehen. Ich sollte ihm

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