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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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aus einem Maschendraht aus derselben Legierung.  Solange die beiden Kabinen miteinander verbunden sind,  besteht natürlich auch die Verbindung zwischen Kind und  Dæmon weiter, aber sobald die Klinge herunterfällt, wird die Verbindung abgeschnitten, und von da an sind sie getrennte  Wesen.«
    »Das möchte ich mir ansehen«, sagte Mrs. Coulter, »und  zwar möglichst bald. Doch jetzt bin ich müde und werde wohl  schlafen gehen. Morgen will ich alle Kinder sehen. Wir finden  schon heraus, wer diese Tür geöffnet hat.«
    Stühle wurden zurückgeschoben, dann wurden höfliche  Abschiedsworte gewechselt und eine Tür geschlossen. Lyra  hörte, wie die Männer sich wieder setzten und sich weiterunterhielten, allerdings leiser als zuvor.
    »Was hat Lord Asriel vor?«
    »Er hat meiner Meinung nach eine grundsätzlich andere  Auffassung vom Wesen des Staubes. Weil aber das Geistliche  Disziplinargericht natürlich nur die offizielle Deutung zuläßt,  macht er sich damit im höchsten Maße der Ketzerei schuldig.  Außerdem plant er Experimente…«
    »Experimente? Mit Staub?«
    »Pst! Nicht so laut…«
    »Glauben Sie, daß Mrs. Coulter einen negativen Bericht  schreibt?«
    »Nein, nein. Ich finde, Sie sind sehr geschickt mit ihr umgegangen.«
    »Ihre Einstellung macht mir Sorgen…«
    »Sie halten sie für unphilosophisch?«
    »Genau. Sie verfolgt persönliche Interessen. Ich sage es nur  ungern, aber ich finde das fast schon makaber.«
    »Das ist doch übertrieben.«
    »Aber erinnern Sie sich denn nicht mehr an die ersten Versuche, als sie es kaum erwarten konnte, zu sehen, wie sie auseinandergerissen wurden…«
    Unwillkürlich entfuhr Lyra ein Aufschrei. Sie zuckte am  ganzen Körper zusammen und stieß mit dem Fuß gegen einen  Eisenträger.
    »Was war das?«
    »In der Decke…«
    »Schnell!«
    Man hörte Stühlerücken und hastige Schritte, und ein Tisch  wurde über den Boden geschoben. Lyra versuchte rückwärts  wegzukriechen, aber es war zu eng, und sie hatte erst ein kleines  Stück zurückgelegt, als die Deckenplatte vor ihr hochgestoßen  wurde und sie direkt in das entsetzte Gesicht eines Mannes  blickte. Es war so nah, daß sie jedes einzelne Haar seines  Schnurrbartes erkennen konnte. Der Mann erschrak genauso  wie sie. Aber er konnte sich freier bewegen als sie. Er streckte  seinen Arm aus und bekam Lyras Handgelenk zu fassen. 
    »Ein Kind!«
    »Halten Sie es fest…«
    Lyra grub die Zähne in die große sommersprossige Hand.  Der Mann schrie auf, ließ aber nicht los, auch dann nicht, als sie  Blut schmeckte. Pantalaimon knurrte und spuckte, aber es  nützte nichts, der Mann war viel stärker als Lyra und zerrte  unerbittlich an ihr, bis sie den Eisenträger, den sie verzweifelt  mit der anderen Hand umklammerte, loslassen mußte und  kopfüber ins Zimmer hinunterrutschte.
    Immer noch blieb sie stumm. Die Beine in den scharfen  Rand der Metallrinne über ihr eingehakt, wehrte sie sich, mit  dem Kopf nach unten hängend, in verzweifelter Wut. Sie  kratzte, biß, boxte und spuckte, und die Männer keuchten vor  Anstrengung und stöhnten vor Schmerzen auf, aber sie zogen  immer weiter. Und auf einmal verließen Lyra all ihre Kräfte.  Als hätte eine fremde Hand tief in sie hineingegriffen, dorthin,  wo keine Hand etwas zu suchen hatte, und etwas gepackt, was  ihr unendlich viel bedeutete.
    Vor Schock war sie wie gelähmt, und ihr wurde schwindlig  und übel.
    Einer der Männer hielt Pantalaimon fest.
    Mit seinen menschlichen Händen hatte er Lyras Dæmon  gepackt, und der arme Pan, vor Entsetzen und Ekel ganz außer  sich, zitterte jämmerlich. Sein Wildkatzenfell verlor im einen  Augenblick vor Schwäche allen Glanz, dann wieder sprühte es  anbarische Funken… Er streckte sich zu Lyra hinüber, und Lyra  streckte beide Hände nach ihm aus…
    Dann gaben sie auf. Sie waren gefangen.
    Diese Hände… Lyra spürte sie wie an ihrem eigenen Körper  … Dabei war es doch verboten… Man durfte Dæmonen nicht  berühren… ein Frevel.
    »War sie allein?«
    Ein Mann spähte in den Zwischenraum über der Decke. »Scheint so…«
    »Wer ist sie?«
    »Das neue Kind.«
    »Das die samojedischen Jäger…«
    »Ja.«
    »Meinen Sie nicht, daß sie vielleicht… die Dæmonen…« »Durchaus möglich. Aber doch wohl kaum allein.« »Sollten wir Mrs. Coulter davon…«
    »Das würde das Faß zum Überlaufen bringen, meinen Sie  nicht auch?«
    »Doch. Besser, sie erfährt

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