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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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und die Wissenschaftler zu zwingen, Dæmonen für Eure Freunde zu machen. Oder wenn Ihr lieber der einzige Bär seid, der einen Dæmon hat, könnten wir Bolvangar für immer zerstören. Zusammen, Iofur Raknison, wären wir unschlagbar!«
    Die ganze Zeit über hatte Lyra ihre zitternde Hand um Pantalaimon in ihrer Tasche gelegt, und Pantalaimon, der sich in die kleinste Maus verwandelt hatte, in deren Gestalt er je geschlüpft war, verhielt sich so still, wie er nur konnte. Iofur Raknison, der vor Erregung zu bersten schien, marschierte auf und ab.
    »Zweikampf?« sagte er. »Ich? Ich soll gegen Iorek Byrnison kämpfen? Unmöglich! Er ist geächtet! Wie soll das also möglich sein? Wie kann ich gegen ihn kämpfen? Geht es denn nur so?«
    »Nur so«, sagte Lyra, obwohl sie wünschte, es gäbe eine andere Möglichkeit, weil Iofur Raknison ihr mit jeder Minute größer und wilder erschien. Sosehr sie Iorek liebhatte und sosehr sie an ihn glaubte, sie konnte sich nicht vorstellen, daß er diesen riesigsten aller Bären je bezwingen würde. Aber es war ihre einzige Chance. Wenn Iorek aus der Ferne von Feuerwerfern niedergestreckt wurde, war alles aus.
    Iofur Raknison fuhr plötzlich herum.
    »Beweise es!« sagte er. »Beweise, daß du ein Dæmon bist!«
    »Also gut«, sagte sie, »das ist nicht schwer. Ich kann alles in Erfahrung bringen, was nur Ihr wißt und sonst niemand, Dinge, die nur ein Dæmon herausfinden kann.«
    »Dann sage mir, wer das erste Wesen war, das ich umgebracht habe.«
    »Ich muß dazu allein sein«, sagte Lyra. »Wenn ich erst Euer Dæmon bin, könnt Ihr dabeisein, wenn ich es mache, aber bis dahin muß ich allein sein.«
    »Hinter diesem Zimmer befindet sich ein Vorzimmer. Geh da rein und komm wieder, sobald du die Antwort hast.«
     
     
    Lyra öffnete die Tür und betrat einen nur von einer Fackel erleuchteten Raum, der bis auf einen kleinen Mahagonischrank mit angelaufenen Silberbeschlägen leer war. Sie holte das Alethiometer heraus und fragte: »Wie lange braucht Iorek noch?«
    »Noch vier Stunden. Er beeilt sich inzwischen noch mehr als vorhin.«
    »Wie stelle ich es an, daß er von meinem Plan erfährt?« »Vertraue ihm.«
    Besorgt überlegte sie, wie müde Iorek sein würde. Aber dann
    fiel ihr ein, daß sie ja nicht tat, was das Alethiometer ihr soeben geraten hatte: Iorek vertrauen.
    Sie verdrängte den Gedanken an Iorek und fragte das Instrument, was Iofur Raknison wissen wollte. Wer war sein erstes Opfer?
    Die Antwort ließ nicht auf sich warten: sein eigener Vater. Lyra fragte weiter und erfuhr, daß Iofur bei seinem ersten Jagdausflug auf dem Eis als junger Bär einem anderen Bären begegnet war, der wie er allein war. Die beiden hatten gestritten und gekämpft, und Iofur hatte den anderen getötet. Als er danach erfuhr, daß er seinen Vater getötet hatte — da Bären bei ihren Müttern aufwuchsen, sahen sie ihre Väter selten —, verheimlichte er, was er getan hatte. Außer ihm wußte es niemand.
    Lyra steckte das Alethiometer weg und überlegte, wie sie Iofur die Antwort mitteilen sollte.
    »Schmeichle ihm!« flüsterte Pantalaimon. »Dann ist er zufrieden.«
    Lyra machte die Tür auf und sah, daß Iofur Raknison bereits ungeduldig auf sie wartete. In seiner Miene mischten sich Triumph, Verschlagenheit, Mißtrauen und Gier.
    »Also?«
    Lyra kniete vor ihm nieder und verbeugte sich, bis ihr Kopf seine linke, stärkere Vordertatze berührte — denn die Bären waren Linkshänder.
    »Ich bitte Euch um Verzeihung, Iofur Raknison!« sagte sie. »Ich wußte nicht, daß Ihr so stark und mächtig seid!«
    »Was soll das heißen? Beantworte meine Frage!«
    »Euer erstes Opfer war Euer Vater. Ihr müßt ein neuer Gott sein, Iofur Raknison, ganz bestimmt. Nur ein Gott hätte die Kraft, das zu tun.«
    »Du weißt es! Du bist eine Hellseherin!«
    »Ja, eben weil ich ein Dæmon bin, wie ich gesagt habe.« »Dann sage mir noch etwas. Was hat Lady Coulter mir versprochen, als sie hier war?«
    Wieder ging Lyra in das leere Zimmer und befragte das Alethiometer. Dann kehrte sie mit der Antwort zurück.
    »Sie hat Euch versprochen, daß sie vom Magisterium in Genf die Erlaubnis einholt, daß Ihr als Christ getauft werdet, obwohl Ihr damals noch keinen Dæmon hattet. Hm, ich fürchte, sie hat das nicht getan, Iofur Raknison, und ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, daß das Magisterium dem zustimmen würde, solange Ihr keinen Dæmon habt. Ich glaube, Mrs. Coulter wußte das auch und hat Euch nicht die

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