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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Parslow«, erwiderte sie, »der Küchenjunge von Jordan College. Aber…«
    »Wie seid ihr hergekommen?«
    »Ich wollte es gerade sagen. Draußen wartet Iorek Byrnison, er hat uns hergebracht. Er hat mich den ganzen Weg von Trollesund herbegleitet, und wir haben Iofur überlistet…« »Wer ist Iorek Byrnison?«
    »Ein gepanzerter Bär. Er hat uns hergebracht.«
    »Thorold«, rief Lord Asriel, »laß für die Kinder ein heißes Bad einlaufen, und gib ihnen etwas zu essen. Dann müssen sie schlafen. Ihre Kleider sind schmutzig; suche ihnen etwas zum Anziehen heraus. Bitte gleich, während ich mit diesem Bären spreche.«
    Lyra spürte, wie in ihrem Kopf alles verschwamm. Vielleicht war es die Wärme, vielleicht die Erleichterung. Sie sah zu, wie der Diener sich verbeugte und hinausging und wie Lord Asriel in den Flur trat und die Tür hinter sich schloß. Dann sank sie in den nächsten Sessel.
    Im nächsten Augenblick, so schien ihr, sprach Thorold sie an.
    »Folgen Sie mir, Miss«, sagte er, und sie stemmte sich hoch und folgte ihm mit Roger in ein warmes Badezimmer, in dem an einem beheizten Halter weiche Handtücher hingen und im Naphthalicht eine mit Wasser gefüllte Wanne dampfte.
    »Geh du zuerst rein«, sagte Lyra. »Ich bleibe hier, dann können wir uns unterhalten.«
    Also stieg Roger in die Wanne, um sich zu waschen. Er zuckte zusammen und keuchte, so heiß war das Wasser. Sie waren schon oft nackt zusammen schwimmen gewesen und hatten in der Isis oder im Cherwell mit anderen Kindern getobt, aber das hier war anders.
    »Ich hab Angst vor deinem Onkel«, sagte Roger durch die offene Tür. »Ich meine, vor deinem Vater.«
    »Nenne ihn lieber weiter meinen Onkel. Ich habe manchmal auch vor ihm Angst.«
    »Als wir vorhin hereinkamen, sah er mich überhaupt nicht. Er sah nur dich und war entsetzt, bis er auch mich sah. Dann beruhigte er sich sofort.«
    »Er war einfach überrascht«, sagte Lyra. »Das würde jedem so gehen, der plötzlich jemanden sieht, den er nicht erwartet hat. Er hat mich zuletzt damals im Ruhezimmer gesehen. Das muß doch ein Schock sein.«
    »Nein«, sagte Roger, »das war nicht nur ein Schock. Er sah mich an wie ein Wolf oder so was.«
    »Das bildest du dir nur ein.«
    »Nein. Ich hab mehr Angst vor ihm als damals vor Mrs. Coulter, wirklich.«
    Roger seifte sich ein, und Lyra holte das Alethiometer heraus.
    »Soll ich den Symboldeuter danach fragen?« sagte Lyra.
    »Hm, weiß nicht. Es gibt Dinge, die ich gar nicht wissen will. Ich hab das Gefühl, daß ich, seit die Gobbler nach Oxford gekommen sind, immer nur von schlechten Dingen höre. Es ist nichts Schönes dabei, höchstens mal etwas ganz Kleines in der unmittelbaren Zukunft, wie das schöne Bad hier oder das warme Handtuch. Und wenn ich mich abgetrocknet habe, freue ich mich vielleicht auf etwas zu essen, aber weiter denke ich nicht. Und wenn ich gegessen habe, freue ich mich vielleicht auf ein bequemes Bett, in dem ich pennen kann. Aber was danach kommt: Ich weiß nicht, Lyra. Wir haben schreckliche Dinge erlebt, oder? Und sehr wahrscheinlich stehen uns noch mehr schreckliche Dinge bevor. Ich denke mir also, am besten man weiß gar nicht, was die Zukunft bringt. Ich halte mich an die Gegenwart.«
    »Ja«, sagte Lyra müde. »Manchmal geht es mir genauso.«
    Sie behielt das Alethiometer zwar noch eine Weile in der Hand, aber nur um sich zu trösten. Sie drehte nicht an den Zeigern und achtete nicht auf das Ausschwingen der Nadel. Pantalaimon beobachtete das Instrument stumm.
    Nachdem sie sich beide gewaschen und ein Käsebrot gegessen und mit warmem Wasser verdünnten Wein getrunken hatten, sagte der Diener Thorold: »Der Junge soll schlafen gehen; ich zeige ihm, wo. Sie, Miss Lyra, bittet seine Lordschaft noch zu sich in die Bibliothek.«
    Er führte Lyra in ein Zimmer, durch dessen große Fenster man weit unten das gefrorene Meer sah. Auch hier brannte in einem großen Kamin ein Kohlenfeuer, und eine Naphthalampe war so heruntergedreht, daß der Blick aus dem Zimmer nach draußen auf das öde, nur von Sternen beschienene Panorama kaum durch störende Spiegelungen beeinträchtigt wurde. Lord Asriel saß in einem großen Armsessel auf der einen Seite des Feuers und bedeutete Lyra, sich in den anderen Sessel ihm gegenüber zu setzen.
    »Dein Freund Iorek Byrnison ruht sich draußen aus«, sagte er. »Er ist lieber in der Kälte.«
    »Hat er dir von dem Zweikampf mit Iofur Raknison erzählt?«
    »Nur in groben Zügen. Wenn ich ihn

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