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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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denkst du hin?« rief  Ma Costa. »Mr. Coulter hatte ein Gewehr, und Lord Asriel  schlug es ihm aus der Hand und streckte ihn mit einem Schlag  nieder. Dann fielen zwei Schüsse. Erstaunlich, daß du das nicht  mehr weißt, aber du warst noch klein. Den ersten Schuß hatte  Edward Coulter abgegeben, der sein Gewehr wieder in die  Hände bekam und einfach losfeuerte. Der zweite stammte von  Lord Asriel, der Coulter das Gewehr ein zweites Mal entriß und  auf ihn anlegte. Lord Asriel schoß ihm genau zwischen die  Augen, so daß er keinen Muckser mehr tat. Dann sagte er seelenruhig: ›Kommen Sie raus, Mrs. Costa, und geben Sie mir das Kind‹, denn ihr beide, du und dein Dæmon, habt fürchterlich geschrien. Er nahm dich und wiegte dich in den Armen, nahm dich auf die Schultern, lief glänzend gelaunt mit dir auf und ab, den Toten zwischen den Füßen, rief nach Wein und befahl mir, den Boden aufzuwischen.«
    Nach der vierten Wiederholung der Geschichte war Lyra vollkommen überzeugt, sich an alles zu erinnern, und ergänzte sogar noch die Farbe von Mr. Coulters Mantel oder zählte auf, welche Umhänge und Pelze im Schrank hingen. Ma Costa lachte.
    Immer wenn Lyra allein war, holte sie das Alethiometer heraus und vertiefte sich in seinen Anblick wie eine Liebende in das Bild des Geliebten. Jedes Bild hatte also mehrere Bedeutungen. Warum sollte sie die nicht herausfinden? Schließlich war sie die Tochter Lord Asriels!
    Sie rief sich die Worte Farder Corams in Erinnerung und versuchte, sich auf drei willkürlich ausgewählte Symbole zu konzentrieren, und ließ die Zeiger an den entsprechenden Stellen einrasten. Wenn sie das Alethiometer auf ihre Handfläche legte und es mit einem besonders trägen Blick anschaute und sich hineinvertiefte, schien die lange Nadel sich zielstrebiger zu bewegen. Statt unberechenbar auf dem Zifferblatt hin- und herzupendeln, schwang sie gleichmäßig von Bild zu Bild. Manchmal verweilte sie bei drei, manchmal bei zwei, manchmal bei fünf oder mehr Bildern, und wenn auch Lyra von alldem nichts begriff, bereitete es ihr doch eine tiefe Befriedigung, die anders war als alles, was sie kannte. Pantalaimon beugte sich als Katze oder als Maus über das Zifferblatt und folgte der Nadel mit dem Kopf, und ein- oder zweimal hatten beide das Gefühl, gleichsam ahnungsweise etwas zu verstehen, als würde ein Sonnenstrahl die Wolken durchstoßen und in der Ferne ein majestätisches Gebirge aufleuchten lassen — etwas völlig Unerwartetes, weit jenseits ihrer bisherigen Vorstellungen. Lyra  überkam dann dasselbe prickelnde Gefühl, das sie ihr Leben  lang gespürt hatte, wenn sie das Wort Norden hörte.
    Drei Tage vergingen, in denen zwischen den zahllosen Booten und dem Zaal ein ständiges Kommen und Gehen herrschte.  Dann kam der Abend des zweiten Things. Der Saal war noch  voller als beim ersten Mal, falls das überhaupt möglich war.  Lyra und die Costas waren rechtzeitig erschienen und saßen in  der ersten Reihe, und sobald man im flackernden Licht erkennen konnte, daß der Saal voll war, betraten John Faa und Farder  Coram das Podium und setzten sich hinter den Tisch. John Faa  brauchte nicht um Ruhe zu bitten; es genügte, daß er seine großen Hände flach auf den Tisch legte und zu den Menschen hinunterschaute, und schon erstarb der Lärm.
    »Ihr habt getan, worum ich euch gebeten hatte«, begann er.  »Meine Hoffnungen wurden sogar noch übertroffen. Ich bitte  jetzt die Oberhäupter der sechs Familien heraufzukommen, das  Gold zu übergeben und zu sagen, wie viele Männer sie aufstellen können. Nicholas Rokeby, du bist der erste.«
    Ein stämmiger Mann mit einem schwarzen Bart stieg aufs  Podium und stellte einen schweren Ledersack auf den Tisch. »Hier ist unser Gold«, sagte er. »Außerdem stellen wir achtunddreißig Mann.«
    »Vielen Dank, Nicholas«, sagte John Faa, und Farder Coram  notierte etwas. Nicholas Rokeby trat nach hinten, und John Faa  rief nacheinander die anderen auf. Sie kamen auf das Podium,  legten einen Sack auf den Tisch und gaben die Zahl der Männer  bekannt, die sie aufbieten konnten. Die Costas gehörten zur  Familie Stefanski, und natürlich hatte sich Tony als einer der  ersten freiwillig gemeldet. Lyra bemerkte, daß sein Dæmon, ein  Falke, unruhig von einem Fuß auf den anderen trat und die  Flügel ausbreitete, als John Faa das Geld der Stefanskis und die  Zusage von dreiundzwanzig Mann erhielt.
    Als alle sechs

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