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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Freunde. Er hat kein Blut mehr  geschmeckt, seit ich den tatarischen Helden der Steppe von  Kasachstan getötet habe; träumend hängt mein Hammer in  meinem Boot, aber er wittert Blut in dem Wind, der aus Norden kommt. Letzte Nacht sprach er zu mir von seinem Durst,  und ich sagte zu ihm: ›Bald ist es soweit.‹ Margaret, dich mögen viele Sorgen quälen, aber fürchte nicht, daß John Faas Herz zu weich sein könnte, um zuzuschlagen, wenn es an der Zeit ist. Und diese Zeit wird kommen, wenn der Verstand es sagt, nicht der blinde Zorn. — Will sonst noch jemand etwas sagen? Dann  sprecht jetzt.«
    Aber niemand meldete sich, und nach einer Weile griff John  Faa nach der Glocke, um die Versammlung zu beenden. Er  schwang sie kraftvoll hin und her und läutete so kräftig und  laut, daß das Läuten die ganze Halle erfüllte und das Gebälk  zum Klingen brachte.
    John Faa und die anderen Männer verließen das Podium und  begaben sich ins Besprechungszimmer. Lyra war ein bißchen  enttäuscht. Wurde sie nicht aufgefordert mitzukommen? Tony lachte nur. »Sie müssen jetzt die Reise planen«, sagte er.
    »Du hast deinen Teil beigetragen, Lyra. Jetzt sind John Faa und  der Rat an der Reihe.«
    »Aber ich habe doch noch gar nichts gemacht!« protestierte  Lyra, als sie widerwillig hinter den anderen herging, zuerst aus  der Halle hinaus und dann die mit Kopfsteinen gepflasterte  Straße zur Anlegestelle hinunter. »Bisher bin ich doch nur vor  Mrs. Coulter davongelaufen! Das war doch erst der Anfang. Ich  will in den Norden!«
    »Hör zu«, sagte Tony, »ich bring dir einen Walroßzahn mit,  das versprech ich dir.«
    Lyra machte ein finsteres Gesicht. Pantalaimon war damit  beschäftigt, Tonys Dæmon Affengrimassen zu schneiden, aber  der schloß verächtlich die gelbbraunen Augen. Ziellos schlenderte Lyra zur Anlegestelle, wo sie sich mit ihren neuen Freunden die Zeit vertrieb und Laternen an Schnüren über das  dunkle Wasser baumeln ließ, um die glotzäugigen Fische anzuziehen. Wenn die Fische dann langsam zur Wasseroberfläche  schwammen, versuchten die Kinder sie mit spitzen Stöcken  aufzuspießen, allerdings ohne sie zu treffen.
    Doch in Gedanken war Lyra im Besprechungszimmer bei  John Faa, und schon bald stahl sie sich fort und über das Kopfsteinpflaster wieder zum Zaal hinauf. Im Fenster des Besprechungszimmers brannte Licht. Es war zwar zu hoch, um hineinzuschauen, aber aus dem Innern hörte Lyra gedämpftes  Stimmengemurmel.
    Sie ging zur Tür und klopfte fünfmal entschlossen an. Das  Gespräch brach ab, ein Stuhl schrammte über den Boden, dann  ging die Tür auf. Ein breiter Strahl des warmen Naphthalichts  fiel auf die feuchten Stufen.
    »Ja?« fragte der Mann, der die Tür geöffnet hatte. 
    Hinter ihm sah Lyra die anderen Männer am Tisch sitzen,  vor sich die Säcke mit Gold, Papier und Stifte, Gläser und einen  Krug mit Genever.
    »Ich will mit in den Norden kommen«, sagte Lyra so laut,  daß alle es hören konnten. »Ich will mitkommen und helfen,  die Kinder zu befreien. Deswegen bin ich doch von Mrs. Coulter weggelaufen. Und ich wollte sogar schon vorher meinen  Freund Roger befreien, den Küchenjungen von Jordan, der  auch entführt wurde. Ich will mitkommen und helfen. Ich  kenne mich in Navigation aus und kann anbaromagnetische  Messungen an der Aurora vornehmen. Ich weiß, welche Teile  von Bären eßbar sind, und ich kenne alle möglichen anderen  nützlichen Dinge. Sie bereuen es bestimmt, wenn Sie mich  hierlassen und dann dort feststellen, daß Sie mich brauchen.  Und genauso, wie die Frau vorhin gesagt hat, daß Sie vielleicht  auch Frauen brauchen, kann es doch sein, daß Sie auch Kinder  brauchen. Sie können es nicht wissen, deshalb sollten Sie mich  lieber mitnehmen, Lord Faa, und entschuldigen Sie bitte, daß  ich das Gespräch unterbrochen habe.«
    Sie stand jetzt mitten im Zimmer, und die Männer und ihre  Dæmonen musterten sie aufmerksam, einige schmunzelnd,  andere verärgert, aber Lyra hatte nur Augen für John Faa. Pantalaimon setzte sich in ihren Armen auf, und seine Wildkatzenaugen leuchteten grün.
    »Daß wir dich mitnehmen und in Gefahr bringen, Lyra, kommt nicht in Frage«, sagte John Faa. »Sei dir darüber im klaren. Bleib hier, wo du sicher bist, und hilf Ma Costa. Das ist deine Aufgabe.«
    »Aber ich lerne jetzt allmählich, das Alethiometer zu lesen. Ich verstehe jeden Tag mehr davon! Das brauchen Sie doch unbedingt

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