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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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schüttelte die Kugeln ab, als wären es Regentropfen. Er stürzte sich mit seiner quietschenden, scheppernden Rüstung auf den Wachmann, bevor dieser fliehen konnte, und warf ihn zu Boden. Wie ein Blitz fuhr der Dæmon des Wachmanns, ein Husky, dem Bären an die Kehle, doch Iorek Byrnison beachtete ihn sowenig wie eine Fliege. Mit seiner gewaltigen Pranke zog er den Wachmann zu sich heran, beugte sich über ihn und nahm seinen Kopf zwischen die Kiefer. Lyra wußte genau, was als nächstes geschehen würde: Der Bär würde den Schädel des Mannes wie ein Ei zerquetschen, und dann käme es zu einem blutigen Kampf mit noch mehr Toten und zu weiteren Verzögerungen; und schließlich würden sie überhaupt nicht mehr loskommen — ob mit oder ohne den Bären.
    Ohne nachzudenken, rannte sie zu ihm hin und legte die  Hand auf die einzige ungeschützte Stelle des Bären, die Lücke  zwischen dem Helm und der großen Schulterplatte, die entstand, wenn er den Kopf senkte, und durch die sie zwischen den  rostigen Metallrändern das gelbweiße Fell schimmern sah. Sie  grub die Finger in das Fell, und sofort flog auch Pantalaimon an  diese Stelle und verwandelte sich in eine sprungbereite Wildkatze, um Lyra notfalls verteidigen zu können. Doch Iorek  Byrnison rührte sich nicht, und daraufhin stellten die Schützen  das Feuer ein.
    »Iorek!« sagte Lyra heftig. »Hör mir zu! Du schuldest mir  noch einen Gefallen, stimmt’s? Jetzt kannst du dich revanchieren. Tu, was ich dir sage. Kämpfe nicht mit diesen Männern.  Wir gehen jetzt einfach von hier weg. Wir brauchen dich, Iorek,  du darfst nicht hier bleiben. Komm mit mir zum Hafen, und  sieh dich nicht mehr um. Farder Coram und John Faa sollen für  dich verhandeln, die kriegen das schon hin. Also laß den Mann  hier los und komm mit…«
    Langsam öffnete der Bär das Maul. Der Kopf des Wachmanns blutete, war naß und kreidebleich; er schlug hart  auf den Boden, als der Mann in Ohnmacht fiel. Sein Dæmon  begann ihn sofort zu liebkosen, während sich der Bär Lyra  zuwandte.
    Niemand rührte sich. Alle beobachteten, wie der Bär auf den  Befehl des kleinen Mädchens mit dem Katzendæmon von seinem Opfer abließ, und erst als Iorek Byrnison an der Seite Lyras  schwerfällig durch ihre Mitte in Richtung Hafen trottete,  machten sie eilig Platz.
    Lyra, die nur auf den Bären achtete, merkte nichts von der  Verwirrung, die sie hinterließ, und von der Angst und der Wut,  die sich entluden, sobald der Bär fort war. Sie ging einfach  neben ihm her, und Pantalaimon sprang den beiden voraus, als  wollte er ihnen den Weg bahnen.
    Am Hafen angekommen, senkte Iorek Byrnison den Kopf,  öffnete mit einer Klaue den Helm und ließ ihn scheppernd auf  den gefrorenen Boden fallen. Gypter, die mitbekommen hatten, daß sich draußen etwas tat, kamen aus dem Cafe und beobachteten im Schein der anbarischen Lampen, die auf dem  Schiffsdeck brannten, wie Iorek Byrnison auch die restliche  Rüstung abschüttelte und auf einem Haufen auf dem Kai  zurückließ. Wortlos trottete er zum Wasser, glitt hinein, ohne  daß sich eine Welle kräuselte, und verschwand.
    »Was ist passiert?« fragte Tony Costa, als er die empörten  Stimmen von Einwohnern und Polizisten hörte, die aus den  höher gelegenen Straßen zum Hafen hinunterstürzten. 
    Lyra erzählte ihm alles so ausführlich sie konnte.  »Aber wo steckt er denn jetzt?« fragte Tony. »Er kann doch  nicht einfach seine Rüstung hier liegenlassen. Die holen sie sich  doch zurück, sobald sie hier sind!«
    Lyra befürchtete das auch, denn an der Ecke tauchte bereits  der erste Polizist auf, gefolgt von weiteren, und dahinter kamen  der Sysselmann und der Priester und zwanzig oder dreißig  Schaulustige und schließlich John Faa und Farder Coram, die  mit den anderen Schritt zu halten versuchten.
    Doch als sie die Gruppe am Kai erblickten, blieben sie stehen, denn dort war mittlerweile noch jemand erschienen. Auf  der Rüstung des Bären saß die langgliedrige Gestalt von Lee  Scoresby. Er hatte einen Knöchel über das Knie geschlagen,  hielt die längste Pistole, die Lyra jemals gesehen hatte, in der  Hand und zielte damit ungerührt auf den stattlichen Bauch des  Sysselmanns.
    »Mir scheint, ihr habt nicht besonders gut auf die Rüstung  meines Freundes aufgepaßt«, sagte er im Plauderton. »Nein  wirklich, schaut euch bloß mal den Rost hier an! Und es würde  mich überhaupt nicht überraschen,

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