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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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liebsten hätte Lyra dem Bären befohlen, den Mann zu töten, aber sie sagte nur: »Immerhin haben sie es uns zu verdanken, daß sie das Kind los sind. Dafür können sie ja wohl einen Fisch opfern.«
    Der Bär sprach mit dem Mann, woraufhin dieser zwar murrte, aber nicht widersprach. Lyra stellte die Laterne in den Schnee, nahm den abgeschnittenen Jungen an die Hand und führte ihn zum Bären. Tony folgte ihr unbeholfen, zeigte aber weder Erstaunen noch Angst beim Anblick des großen weißen Tieres, das so dicht vor ihnen stand, und als Lyra ihm auf Ioreks Rücken half, sagte er nur: »Ich weiß nicht, wo Ratter ist.«
    »Wir wissen es auch nicht, Tony«, sagte Lyra. »Aber wir werden… wir werden die Gobbler bestrafen. Das tun wir, ich verspreche es dir. Iorek, kann ich auch aufsteigen, oder sind wir dir dann zu schwer?«
    »Meine Rüstung wiegt viel mehr als zwei Kinder«, sagte Iorek.
    Daraufhin kletterte Lyra hinter Tony auf Ioreks Rücken und forderte Tony auf, sich an dem langen, steifen Fell festzuhalten. Pantalaimon kuschelte sich in ihrer warmen Kapuze an sie; er war voller Mitleid. Lyra wußte, er hätte am liebsten die Pfoten ausgestreckt und das kleine halbe Kind umarmt, es abgeleckt, liebkost und gewärmt, wie der Dæmon des Kindes es getan hätte, aber das war natürlich undenkbar und tabu, und er tat es nicht.
    Sie ritten durch das Dorf auf den Bergkamm zu, über den sie gekommen waren, und auf den Gesichtern der Dorfbewohner spiegelten sich Horror und ängstliche Erleichterung, als sie sahen, wie dieses grauenhaft verstümmelte Wesen von einem kleinen Mädchen und einem großen weißen Bären fortgebracht wurde.
    In Lyras Herzen kämpften Abscheu und Mitgefühl, doch das Mitgefühl siegte schließlich, und sie legte beschützend die Arme um Tonys schmächtige Gestalt. Der Rückweg zu den anderen war kälter, anstrengender und dunkler als der Hinweg, obwohl er Lyra wegen der vielen Dinge, die sie bewegten, kürzer vorkam. Iorek Byrnison zeigte keine Müdigkeit, und Lyra ging inzwischen so automatisch mit seinen Bewegungen mit, daß sie keine Gefahr lief herunterzufallen. Allerdings war es nicht ganz einfach, den kalten Körper in ihren Armen festzuhalten, denn er war zwar leicht, saß aber stocksteif vor ihr, ohne sich den Bewegungen des Bären anzupassen.
    Von Zeit zu Zeit murmelte er etwas.
    »Was hast du gesagt?« fragte Lyra.
    »Ich habe gefragt, ob er weiß, wo ich bin.«
    »Ja, ganz bestimmt. Er wird dich schon finden, und sonst finden wir ihn. Halt dich jetzt gut fest, Tony, es ist nicht mehr weit…«
    Mit großen Sprüngen jagte der Bär durch die Nacht. Erst als sie die Gypter eingeholt hatten, merkte Lyra, wie müde sie war. Die Schlitten hatten angehalten, damit die Hunde sich ausruhen konnten, und plötzlich waren die beiden Kinder umringt von Farder Coram, Lord Faa, Lee Scoresby und den anderen; alle kamen herbeigestürzt, um zu helfen, doch kaum hatten sie die Gestalt neben Lyra erblickt, wichen sie zurück und verstummten. Lyra war so steif, daß sie nicht einmal mehr die Arme vom Körper des Jungen lösen konnte; John Faa mußte sie sanft öffnen und Lyra herunterheben.
    »Du meine Güte, was ist das denn?« fragte er. »Lyra, Kind, was hast du da bloß gefunden?«
    »Er heißt Tony«, murmelte sie mit vor Kälte gefühllosen Lippen. »Sie haben seinen Dæmon abgeschnitten. Das waren die Gobbler.«
    Die Männer blieben ängstlich im Hintergrund stehen, aber da ergriff zum Staunen der erschöpften Lyra der Bär das Wort.
    »Schämt euch!« sagte er. »Seht, was dieses Mädchen getan hat! Ihr solltet euch schämen, wenn ihr nicht wenigstens so viel Mut habt wie sie.«
    »Du hast recht, Iorek Byrnison«, sagte John Faa. Dann befahl er: »Facht das Feuer wieder an, und wärmt etwas Suppe für das Kind auf. Für beide Kinder. Farder Coram, ist Euer Zelt aufgebaut?«
    »Ja, John. Bring das Mädchen rüber, bei mir kann sie sich aufwärmen…«
    »Und der kleine Junge«, sagte jemand, »er soll auch etwas essen und sich wärmen, obwohl…«
    Lyra wollte John Faa von den Hexen erzählen, aber alle waren so beschäftigt, und sie war todmüde. In dem ganzen Durcheinander aus leuchtenden Laternen, Rauchschwaden und hin und her eilenden Gestalten mußte sie wohl eingenickt sein, denn plötzlich spürte sie, wie Pantalaimons Hermelinzähne sanft an ihrem Ohr knabberten, und als sie die Augen öffnete, sah sie in das Gesicht des Bären wenige Zentimeter vor sich.
    »Die Hexen«, flüsterte

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