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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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hatte. »Ich habe sie gut verstaut«, sagte er. »Sie ist ganz unten in diesem Seesack, aber da gibt es überhaupt nichts zu sehen, denn noch an Bord des Schiffes habe ich den Deckel verlötet, wie ich es ja angekündigt hatte. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was wir mit dem Spion machen sollen; vielleicht können wir ihn in eine Feuermine werfen und ihn so loswerden. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Lyra. Solange ich die Dose habe, kann dir nichts passieren.«
    Bei der ersten Gelegenheit steckte Lyra den Arm tief in den Seesack aus steifgefrorenem Leinen und holte die kleine Dose heraus. Sie spürte das Summen, noch ehe sie es hörte. Während Farder Coram sich mit den anderen Anführern besprach, brachte sie die Dose zu Iorek Byrnison und erklärte ihm ihren Plan. Die Idee war ihr gekommen, als ihr einfiel, wie mühelos der Bär das Blech der Motorverkleidung zerschnitten hatte.
    Iorek hörte sie an, nahm dann den Deckel einer Keksdose und verbog ihn geschickt zu einem kleinen, flachen Zylinder. Sie staunte über seine Fingerfertigkeit; anders als die meisten Bären hatten er und seine Artgenossen den anderen Klauen entgegengesetzte Daumenklauen, mit denen sie Gegenstände festhalten und bearbeiten konnten; außerdem besaß er ein angeborenes Gespür für die Härte und Biegsamkeit von Metall. Er brauchte das Blech nur ein- oder zweimal hochzunehmen und ein paarmal hin- und herzubiegen, dann kerbte er mit der Klaue einen Kreis ein, um es an dieser Stelle zu falzen. Er knickte die Enden so oft, bis sie zu einem Rand umgebogen waren, und fertigte anschließend noch einen Deckel an, der genau daraufpaßte. Auf Lyras Bitte hin machte er zwei Dosen: eine von der Größe der ursprünglichen Tabakdose und eine, die so groß war, daß die andere Dose hineinpaßte und außerdem noch Fell, Moos und Flechten, um den Lärm zu ersticken. Als die Dose verschlossen war, hatte sie die gleiche Größe und Form wie das Alethiometer.
    Als das erledigt war, setzte sich Lyra neben Iorek Byrnison, der an einer steinhart gefrorenen Rentierkeule zu nagen begann.
    »Iorek«, sagte sie, »ist es eigentlich schwer, keinen Dæmon zu haben? Bist du nicht manchmal einsam?«
    »Einsam?« fragte er. »Ich weiß nicht. Die Leute sagen auch, hier sei es kalt, aber ich weiß nicht, was Kälte ist, denn ich friere nie. Genausowenig weiß ich, was Einsamkeit bedeutet. Bären sind nun mal allein.«
    »Und die Bären von Svalbard?« fragte sie. »Es gibt doch Tausende von ihnen, oder? Jedenfalls habe ich das gehört.«
    Iorek antwortete nicht, sondern riß mit einem splitternden Geräusch, als breche ein Baum auseinander, das Gelenk auseinander.
    »Entschuldige, Iorek«, sagte Lyra. »Hoffentlich bist du jetzt nicht beleidigt. Weißt du, ich will einfach wegen meines Vaters soviel wie möglich über die Bären von Svalbard wissen.«
    »Wer ist dein Vater?«
    »Lord Asriel. Und er ist doch auf Svalbard gefangen. Ich glaub, die Gobbler haben ihn verraten und den Bären Geld gegeben, damit sie ihn bewachen.«
    »Das weiß ich nicht. Ich gehöre nicht zu den Bären von Svalbard.«
    »Ich dachte, du wärst einer…«
    »Nein. Ich habe zu ihnen gehört, aber jetzt nicht mehr. Ich wurde verbannt, weil ich einen anderen Bären getötet habe. Zur Strafe wurden mir mein Rang, mein Vermögen und meine Rüstung weggenommen, und ich wurde dazu verurteilt, am Rande der menschlichen Welt zu leben. Ich kämpfe, wenn mich jemand braucht, oder verrichte grobe Arbeiten und ertränke meine Erinnerungen in Schnaps.«
    »Warum hast du einen Bären umgebracht?«
    »Aus Zorn. Eigentlich legen wir Bären Auseinandersetzungen anders bei, aber ich habe die Beherrschung verloren. Deshalb habe ich ihn getötet und bin zu Recht bestraft worden.«
    »Du warst also reich und mächtig«, sagte Lyra staunend. »Genau wie mein Vater, Iorek! Ihm ist nämlich nach meiner Geburt dasselbe passiert. Er hat auch jemanden getötet, und deshalb hat man ihm sein ganzes Vermögen weggenommen. Das war allerdings lange bevor er Gefangener auf Svalbard wurde. Ich weiß überhaupt nichts über Svalbard, außer, daß es im äußersten Norden liegt… Ist es eigentlich ganz von Eis bedeckt? Wie kommt man dahin? Über das zugefrorene Meer?«
    »Nicht von dieser Küste aus, denn im Süden ist das Meer nur manchmal zugefroren. Man brauchte auf jeden Fall ein Boot.«
    »Oder vielleicht einen Ballon.«
    »Oder einen Ballon, ja, aber dazu braucht man den richtigen Wind.«
    Er nagte weiter an

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