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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Pantalaimon. »Ich habe Iorek gerufen.«
    »Ach ja«, murmelte sie schlaftrunken. »Vielen Dank, Iorek, daß du mich hingebracht hast und wieder zurück. Vielleicht vergesse ich, Lord Faa von den Hexen zu erzählen. Sag du es ihm lieber.«
    Sie hörte noch, wie der Bär zustimmte, dann schlief sie fest ein.
     
     
    Als sie aufwachte, war es bereits so hell, wie es in diesen Breiten überhaupt werden konnte. Im Südosten war der Himmel fahl, und die Luft war von grauem Nebel erfüllt, durch den die Gypter wie unförmige Geister huschten, während sie die Schlitten beluden und die Hunde anschirrten.
    Lyra lag unter einem Haufen Felle in Farder Corams Zelt, von wo aus sie alles beobachten konnte. Pantalaimon war schon hellwach und probierte gerade die Gestalt eines Polarfuchses aus, besann sich dann aber doch wieder auf sein Lieblingstier, das Hermelin.
    Iorek Byrnison schlief im Schnee neben dem Schlitten, den Kopf auf seine mächtigen Tatzen gelegt. Farder Coram war jedoch bereits auf den Beinen, und kaum sah er Pantalaimon auftauchen, kam er angehumpelt, um Lyra zu wecken.
    Als sie ihn kommen sah, setzte sie sich auf und sagte: »Farder Coram, jetzt weiß ich, was ich gestern nicht verstehen konnte! Das Alethiometer hat doch dauernd Vogel und nicht gesagt, und ich habe nicht kapiert, warum. Aber natürlich sollte das kein Dæmon heißen, ich konnte mir das nur nicht vorstellen… Was ist denn?«
    »Lyra, es tut mir leid, daß ich dir das nach allem, was du getan hast, sagen muß, aber der kleine Junge ist vor einer Stunde gestorben. Er blieb nirgendwo sitzen, sondern lief die ganze Zeit ruhelos umher und fragte nach seinem Dæmon, wo er wäre, ob er bald käme und so weiter. Und die ganze Zeit hielt er diesen gedörrten Fisch umklammert, als ob… Ach, Kind, ich kann es nicht aussprechen. Aber zuletzt machte er einfach die Augen zu und wurde ganz ruhig, und da sah er zum ersten Mal friedlich aus, wie jeder andere Tote, dessen Dæmon sich auf natürlichem Wege aufgelöst hat. Wir haben versucht, ein Grab für ihn zu schaufeln, aber der Boden ist steinhart. Deshalb hat John Faa befohlen, ein Feuer anzuzünden. Er soll wegen der Aasfresser verbrannt werden.
    Du warst tapfer, Kind, und hast ein gutes Werk getan, ich bin stolz auf dich. Jetzt wissen wir, zu welcher Niedertracht diese Menschen fähig sind, und sehen klarer denn je, was wir tun müssen. Du mußt dich ausruhen und etwas essen, denn gestern nacht bist du sofort eingeschlafen, und bei diesen Temperaturen mußt du essen, damit du nicht krank wirst…«
    Er machte sich in ihrer Nähe zu schaffen, zog die Felle zurecht, straffte die Schnüre, mit denen die Ladung auf dem Schlitten befestigt war, und ließ die Hundeleinen durch seine Hände laufen, um sie zu entwirren.
    »Farder Coram, wo ist der kleine Junge jetzt? Haben sie ihn schon verbrannt?«
    »Nein, Lyra, er liegt dort hinten.«
    »Ich möchte zu ihm gehen und ihn sehen.«
    Das konnte er ihr nicht verwehren, denn sie hatte schon schlimmere Dinge als einen Toten gesehen, und vielleicht beruhigte es sie ja auch. Lyra stapfte also mit Pantalaimon, der als Schneehase zaghaft neben ihr herhoppelte, an den Schlitten vorbei auf eine Stelle zu, an der ein paar Männer Reisig aufhäuften.
    Die Leiche des Jungen lag am Wegrand unter einer karierten Decke. Lyra kniete nieder und hob die Decke mit ihren Fäustlingen hoch. Einer der Männer wollte sie daran hindern, aber die anderen schüttelten die Köpfe. Pantalaimon drängte sich ganz dicht an Lyra, während sie auf das ausgemergelte Gesicht hinabsah. Lyra zog die Hand aus dem Handschuh und strich über die Augen des Jungen. Sie waren kalt wie Marmor. Farder Coram hatte recht gehabt; der arme kleine Tony Makarios unterschied sich jetzt nicht mehr von Menschen, die zusammen mit ihren Dæmonen gestorben waren. Wenn ihr jemals Pantalaimon weggenommen würde! Sie nahm ihn in die Arme und preßte ihn an sich, als wollte sie ihn in ihr Herz hineindrücken. Und alles, was der kleine Tony besaß, war dieses jämmerliche Stück Fisch…
    Wo war es?
    Sie zog die Decke fort. Es war verschwunden.
    Sie sprang auf die Beine und funkelte wütend die umstehenden Männer an.
    »Wo ist sein Fisch?«
    Die Männer hielten verwirrt mir ihrer Arbeit inne, unsicher, was Lyra meinte; einige ihrer Dæmonen verstanden jedoch und warfen sich vielsagende Blicke zu. Dann begann einer der Männer unsicher zu grinsen.
    »Lacht bloß nicht«, fauchte Lyra. »Ich reiße euch bei lebendigem Leib

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