Der goldene Kuß
wird, dachte er.
»Bestimmt.«
»Hat sie in dieser Richtung schon Wünsche geäußert?«
»Noch nicht.«
»Es ist gut.« Dr. Rathberg erhob sich und gab seinem Programmdirektor die Hand. »Wir sehen uns morgen um elf Uhr bei der Abteilungsleiterbesprechung.«
Als Dr. Rathberg allein war, ließ er das Sekretariat wissen, daß er für zwei Stunden für niemanden zu sprechen sei. Dann holte er sich alle Zeitungen vom Rauchtisch, schlug die Anzeigenseiten auf und studierte die Angebote der Immobilienhändler. Ein paar Anzeigen strich er an, setzte sich dann ans Telefon und rief den ersten Makler an.
»Ich lese gerade Ihre Anzeige über den Verkauf eines Landhauses«, sagte er und umrandete beim Sprechen die Zeitungsannonce. »Ich hätte Interesse dafür. Wo liegt das Haus, was kostet es, wann kann es bezogen werden?«
Über zwei Stunden telefonierte Dr. Rathberg herum, unterhielt sich mit Maklern, ließ sich Häuser beschreiben und machte eifrig Notizen. Dabei entdeckte er, daß jeder Makler das schönste Haus Deutschlands anbot, ein unschlagbares preisgünstiges und luxuriöses Objekt.
Am Ende blieben zwei Häuser übrig. Waldlage, Fernsicht, paradiesisch ruhig.
Intendant Dr. Rathberg beschloß, sich diese beiden Häuser morgen anzusehen.
*
Im Drehbuch, das Vera studierte, als müsse sie chemische Formeln auswendig lernen, stand: »Außenaufnahme. Auftritt Sergio Amado mit Vera Hartung. Stille Waldgegend, im Hintergrund ein Fluß. Regen.«
Das gesamte Aufnahmeteam war schon am frühen Morgen unterwegs. Mit vier Privatwagen, dem Aufnahmewagen und einem Tonwagen fuhr man zu der Landschaft, die Regieassistent Blümel und Produktionsassistent Hannemann entdeckt hatten. Viele Streifzüge durch die Umgebung waren dazu notwendig gewesen. Aber nun hatte man alles: den Fluß, die verträumte Landschaft, die Romantik. Regisseur Cranz hatte die Gegend auch besichtigt und okay gesagt. Nun hielt man am Ufer eines trägen Flüßchens, wo der Wald bis ans Wasser reichte. Es war ein diesiger Tag, und alles hoffte, daß die Wettervorhersage der Fernsehmeteorologen stimmte und es Regen gab. Der Aufnahmeleiter sah kritisch in den Himmel und schüttelte den Kopf.
»Kann diesig bleiben! Stimmt ja nie, was die sagen.«
Aus dem Aufnahmewagen wurden die Requisiten herausgetragen. Eine Bank, ein Regenschirm, der Kamerawagen, die Tongalgen. Unter einem Zeltvordach, das man über der Wagentür befestigte, baute der Maskenbildner seine Werkstatt auf. Ein Klapptisch, einige Stühle, Spiegel, Schminkkoffer. Regisseur Cranz rannte herum und begutachtete die Gegend von allen Winkeln. Auch Horst Helmke suchte gute Fotoeinstellungen. Der bunte Herbstwald war herrlich, der Fluß im Regenschleier konnte tief romantisch wirken, traurig-süß, genau wie es gebraucht wurde. Wenn es nur regnete …
Sergio Amado, der große Sänger, war bereits geschminkt, als Vera Hartung mit dem letzten Wagen eintraf. Auf halbem Wege hatte man eine Reifenpanne gehabt. Vera trug schon das Kleid für diese Aufnahme; ein zartrosa Spitzenminikleid. Biedermeier mit Beatlook.
»Schminken! Los, los!« schrie der Regieassistent und fuchtelte mit beiden Armen herum. Der Stuhl Veras mit ihrem Namen stand schon vor dem Spiegel, der Friseur wartete. Helmke und seine Assistenten maßen an den Kameras Lichteinfall und Schatten. Das Skriptgirl hockte auf seinem Schemel und fror. Detlev Cranz machte sich Notizen in sein Regiebuch.
»Es kommt kein Regen!« sagte der Aufnahmeleiter. »Im Gegenteil, die Sonne kommt durch.«
»Immer dasselbe!« Cranz schlug sein Regiebuch zu. »Ich möchte einmal erleben, daß die Wettervorhersagen stimmen! Ich stifte ein Faß Bier! Kinder, wir könnten alle verdursten! Schläuche raus!«
Aus dem Aufnahmewagen schleppte man jetzt dicke Wasserschläuche, verband sie mit einem Verteiler, der seinerseits mit einer Pumpe verbunden war. Diese Pumpe warf man außerhalb des Szenenbereiches in den Fluß und stellte sie an. Es klappte vorzüglich. Die Pumpe saugte, aus den Schläuchen schoß das Wasser.
»Na also!« rief Cranz und winkte mit beiden Armen zu seinen Darstellern. »Das Fernsehen hat seinen eigenen Petrus! Kommt mal her. Die Szene ist schnell erklärt.«
Sergio Amado und Vera Hartung kamen an das Flußufer zu Cranz. Die drei Kameras fuhren in Stellung. Helmke dirigierte sie durch ein Kehlkopfmikrophon. Im Aufnahmewagen brummten leise die Stromerzeuger.
»Die Sache ist ganz einfach«, sagte Cranz und schlug sein Regiebuch auf. »Amado
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