Der goldene Kuß
Brest streichelte den Arm Veras, Heimann sah es mit Mißfallen. »Ich stehe zu dir.«
»Tommy Brest, der edle Ritter! Mach dich nicht lächerlich, mein Knabe!« Heimann legte die Zeitung weg. »Wir kennen den Betrieb doch zu gut! Auf jeden Fall: Auf mich kannst du bauen, Vera. Ich habe als Regisseur ein Mitspracherecht bei der Besetzung. Und ich werde dich für alle Rollen anfordern, die dich zum Publikumsliebling machen.«
»Ihr seid beide so nett.« Vera sah hinaus in den verschneiten Wald, der fast bis an die gläserne Terrasse stieß. Strahlende Sonne lag über dem Land. »Was helfen all die guten Vorsätze … entschieden wird im Funkhaus, ohne uns …«
»Das haben die sich gedacht!« Heimann lehnte sich zurück. »Gleich nach dem Mittagessen fahren wir zurück an den Rhein! Wir brechen unseren Urlaub ab. Jetzt heißt es, am Mann bleiben. Morgen früh stehen wir vor Pelz. Das dumme Gesicht möchte ich sehen …«
*
Es gab kein dummes Gesicht. Es war, als habe Pelz gar nichts anderes erwartet. Er begrüßte Vera mit zwei Wangenküssen und machte ihr zehn Komplimente über ihr blendendes Aussehen.
»Gut, daß ihr alle wieder da seid«, sagte er. »Dann können wir ja weiterdrehen. Cranz will nächste Woche Außenaufnahmen für einen Zwischenfilm im ›Goldenen Kuß‹ machen. Sie, Heimann, habe ich für einen Krimi vorgesehen. Bei Ihnen, Tommy, habe ich gedacht, daß man Sie einmal anders herausstellen sollte, als Charakterdarsteller. Trauen Sie sich das zu?«
Tommy Brest sah Theo Pelz aus verständnislosen Augen an. Was sein großer Traum war, sprach Pelz so gelassen und dann noch als Frage aus.
»Ich habe es satt, immer den heldenhaften Jüngling zu spielen, Herr Direktor«, sagte er tief atmend. »An was hatten Sie gedacht?«
»An einen Amerikaner. O'Snief heißt der Autor. Ein tolles Stück. Ein Bettler kommt aufs Land, und wo er auftritt, stirbt das Vieh. Die Rancher, abergläubisch wie eh und je, geben dem Unbekannten die Schuld und wollen ihn lynchen. Mabel, eine hübsche Farmerstochter, versteckt den Unglücklichen. Es stellt sich heraus, daß der Bettler ein ehemaliger Arzt ist, der ein Säufer wurde und dadurch seine Praxis verlor. Heimlich nimmt er den kranken Kühen Blut ab, stiehlt ein Pferd, reitet in die nächste Stadt zu einem Freund, und sie entdecken den Virus der heimtückischen Krankheit. Statt zu hängen, wird der Bursche bejubelt und heiratet die schöne Mabel. Das klingt ziemlich simpel, es sind aber herrliche Rollen. Dialoge wie Zucker! Man kann daraus etwas machen. Trauen Sie sich das zu?«
»Natürlich.« Tommy Brest sah an die Decke. »Und wer soll Mabel spielen?«
»Vera natürlich.«
»Ich?« stotterte Vera wie erschrocken.
»Nicht die Jarut?« fragte Heimann.
»Was habt ihr bloß immer mit Karin? Von ihr ist überhaupt nicht die Rede.« Pelz genoß das betretene Schweigen, das plötzlich im Raum lag. Er hatte von Anfang an gewußt, warum die drei ihr stilles Schwarzwaldhotel verlassen hatten. Er hätte es nicht anders gemacht. »Ich lasse die Drehbücher nächste Woche drucken.«
»Und wer führt Regie?« wollte Heimann noch wissen.
»Ein Neuer. Ich habe da einen Plan, aber er muß noch durchgesprochen werden.« Er sah Vera flüchtig an. In seinem Blick lag Beruhigung. Keine Sorge, hieß das. Karin Jarut ist keine Gefahr für dich. Ich werde die Hände über dich halten … auch wenn alles anders gekommen ist, als ich damals gedacht habe, als ich dich zum erstenmal auf der Mattscheibe sah und du mich angelächelt hast. Es ist schön, auch einmal uneigennützig Schicksal zu spielen.
Am Montag wurden die Dreharbeiten zum ›Goldenen Kuß‹ wiederaufgenommen. Man nützte das Wetter aus und drehte einen Film, der in einer und um eine Berghütte spielte. Mit zwei Aufnahmewagen und zwei Omnibussen fuhr Detlev Cranz in die Berge. Regieassistent und Aufnahmeleiter waren schon vorausgefahren und hatten eine schöne Schutzhütte als Handlungsplatz ausgewählt.
Der Reise war eine tränenreiche Szene in der Wohnung von Cranz vorausgegangen: Biggi Feind, die jetzt Biggi Bergen hieß, hatte so lange gebettelt, geweint, gefleht und mit Entzug der Liebe gedroht, bis Cranz ihr eine kleine Rolle in diesem Zwischenfilm hineinschrieb. Er erfand eine hübsche Sennerin, die in der Hütte den Gästen den Kopf verdrehte. Eine Rolle, die Biggi Bergen nicht schwerfiel.
Der erste Drehtag verlief ruhig. Vera zeigte vor der Kamera, daß sie sogar Ski fahren konnte; sie wedelte einen Hang
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