Der goldene Kuß
hinab, als habe sie Stunden bei Toni Sailer genommen. Am Nachmittag suchte man sich eine große Wächte, um aus ihr eine Lawine zu machen. Das Verfahren ist einfach … man läßt einen Kanonenschuß los, und die Schallwellen brechen das überhängende Schneestück ab. Im Film, aus verkürzter Perspektive gedreht, sieht es dann aus, als donnere eine Riesenlawine zu Tal und begrabe alles unter sich. Horst Helmke, der sonst diese Aufnahmen machte, war noch in Hamburg … ein junger Kameramann stand hinter dem teuren Kasten und freute sich, sein Talent zeigen zu können.
Am nächsten Morgen aber platzte die Bombe. Biggi Bergen verlangte vor allen Mitarbeitern, daß ihre Rolle geändert würde.
»Ich habe nur dazustehen und dämlich zu lächeln!« rief sie. »Und einen tiefen Ausschnitt habe ich.«
»Das ist auch das beste an dir«, rief jemand. Biggi fuhr wütend herum.
»Ich verlange eine Rolle, die gleichwertig mit der von Fräulein Hartung ist!«
»Bist du verrückt?« zischte Cranz. »Hau ab in die Hütte!«
»Ich denke nicht daran!« Biggi Bergen stemmte die Arme in die Seiten wie eine echte Sennerin. »Soviel Gehirne sind hier, und keinem fällt etwas ein. Ich will zeigen, was ich kann. Es muß doch möglich sein, mir die richtige Rolle zu schreiben.«
»Leg dich ins Heu, Puppe!« rief ein anderer aus der Gruppe der Techniker. Cranz war das ungemein peinlich. Er zuckte herum und brüllte.
»Ich verbitte mir diese lausigen Bemerkungen!« schrie er. »Und du, Biggi, bereitest dich für die Innenaufnahme vor.«
»Nein!« sagte Biggi trotzig wie ein Kind. »Ich will eine echte Rolle haben. Was bei Vera Hartung geht, muß auch bei mir möglich sein. Die kannte ja auch keiner, und sie bekommt eine Hauptrolle.«
»Ich glaube, wir trinken erst einmal Kaffee.« Vera stellte ihre Skier an die Hüttenwand. Sie sah an der vor Erregung zitternden Biggi vorbei auf Cranz, der auf seinem Regiestuhl hockte und innerlich alle Weiber und sich selbst am meisten verfluchte. »Und ich schlage vor, wir drehen erst weiter, bis man weiß, wie die Handlung überhaupt läuft. Vielleicht entschließt man sich, einen Biggi-Bergen-Streifen zu drehen … dann kann ich ja zurück ins Tal und mich ausruhen …«
Sie ging in die Hütte und schlug hinter sich die Tür zu.
»Eingebildete Gans!« zischte Biggi Bergen. Ihr Puppengesicht glühte. »Wenn die nicht den Pelz hätte …«
»Man sollte dir eine scheuern!« sagte Detlev Cranz. »Du dämliches Luder! Weißt du, was jetzt passiert?«
»Ja!« Biggi warf die weißblonden Haare in den Nacken. »Ich gehe allein ins Bett.« Ihr Gesicht war nahe bei Cranz. »Oder mit dem nächstbesten Bauernburschen. So lange, bis ich von dir eine richtige Rolle habe. Für dich bin ich zugeschlossen wie ein Tresor …«
»Pause!« brüllte Cranz über sein Team. Er trat den Regiestuhl um und ging ebenfalls in die Hütte. Dort saß Vera Hartung am Tisch und schrieb eine Ansichtskarte. »Nun?« fragte sie, als Cranz eintrat.
»Was heißt nun?« bellte Cranz zurück. »Fangen Sie nicht an, sich auch wie eine kleine Göttin zu benehmen. Nun ist gar nichts.«
»Sie wollen doch wohl nicht sagen, daß dies ein gutes Arbeitsklima ist?«
»O Gott!« Cranz ließ sich auf die Holzbank am Tisch fallen. »Pusten Sie gegen das Thermometer, dann haben Sie Klima. Vera, seien wenigstens Sie vernünftig! Ich brauche einen ruhenden Pol unter diesen Irren.«
»Und was Sie sich da mit Biggi eingebrockt haben, soll ich das auslöffeln?«
Detlev Cranz setzte sich zu Vera, rückte an sie heran. »Ich habe einmal den Kopf verloren … können Sie das nicht verstehen?«
»Soll ich jetzt den Beichtvater spielen?« Sie sah den Regisseur fast mitleidig an. Wie armselig ist doch ein Mann, wenn er sich verrannt hat und nicht mehr aus den Fängen einer Frau herausfindet. Sie benehmen sich wie Jungen, denen das Spielzeug zerbrochen ist.
»Biggi ist sonst ein liebes Mädchen …«
Vera schüttelte den Kopf. »Wie konnten Sie nur auf sie hereinfallen. Ausgerechnet Sie. Das traut Ihnen niemand zu.«
»Ich weiß.« Cranz lehnte sich zurück und seufzte. »Sind Sie noch nie ausgerutscht?«
»Auf diesem Glatteis noch nie …«
»Geben Sie mir einen Rat, Vera! Wie werde ich Biggi wieder los?«
»Schicken Sie sie einfach weg.«
»Dann geht sie zu Dr. Rathberg, und meine Karriere ist zu Ende.«
»Und wenn ich mit Dr. Rathberg spreche?«
»Es hat doch keinen Zweck.« Cranz sah aus dem Fenster. Biggi Bergen saß im Aufnahmewagen
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