Der goldene Kuß
Tasche und faltete sie auseinander. »Klaus Damms war seit einem Jahr mit Frau Halver befreundet …«
»Was?« Dr. Rathberg schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Cornelia Halver war eine der beliebtesten Ansagerinnen des Senders. Sie war glücklich verheiratet, hatte zwei Kinder; nie war sie in einen Skandal verwickelt, ihr Leben war ausgeglichen und zufrieden. Zur Zeit war sie krank. Eine böse Grippe …
»Ja. Es war eine so heimliche Liebe, daß keiner sie merkte. Bis es unmöglich wurde, sich weiter zu verstecken: Cornelia Halver stellte fest, daß ein drittes Kind unterwegs war. Ihr Mann war zu dieser Zeit in Ostasien … der Fall lag klar. Es kam zu einer Aussprache zwischen Cornelia, ihrem Mann und Klaus Damms. Dabei schlug der Ehemann in heller Wut Damms ein blaues Auge. In eine Scheidung willigte er nicht ein; im Gegenteil: Er drohte, Ihnen, Herr Intendant, alles zu erzählen. Das war kurz nach dem Skandal mit Karin Jarut, der Bannstrahl war noch in frischer Erinnerung. In diesem Moment bekam Klaus Damms einen Kurzschluß. Cornelia verlieren und seinen Beruf, das glaubte er nicht ertragen zu können. Und so beschlossen Frau Halver und Damms, gemeinsam zu sterben. Er vergiftete sich mit dem Auspuffgas, sie nahm Schlaftabletten. Ihr Mann entdeckte sie rechtzeitig; in der Klinik konnte sie gerettet werden. Da liegt sie noch.«
»Das ist also ihre schwere Grippe?« sagte Dr. Rathberg.
»Ja, das ist sie.« Theo Pelz holte tief Luft. »Fassen wir zusammen: Klaus Damms nahm sich das Leben aus Angst vor Ihnen …«
Mit einem Satz sprang Dr. Rathberg auf. »Das ist infam, Herr Pelz! Das will ich nicht gehört haben!« schrie er. »Ich will nur Sauberkeit in meinem Betrieb!«
»Wir sind kein Waschmittelhersteller, Herr Intendant. Bei uns arbeiten Hunderte Individualisten.«
»Ich weigere mich, einen Ehebruch Individualismus zu nennen!« rief Dr. Rathberg erregt. Er ging zu seinem geliebten Fenster und starrte auf den Fluß. Seine Finger schnippten nervös. »Ich bin doch kein Unmensch … mit mir kann man doch sprechen.«
»Klaus Damms starb aus Angst vor Ihnen …«
»Wollen Sie mich anklagen?«
»Wie könnte ich das? Ich kenne Ihre Motive. Den berühmten eisernen Besen hat es schon immer gegeben, aber oft kehrte er zuviel weg.« Theo Pelz legte die Papiere auf den Schreibtisch Rathbergs. »So, das wäre der Fall Damms. Und jetzt rufe ich Cranz herein.«
Einen Augenblick war es still in dem großen Zimmer. Dann drehte sich Dr. Rathberg um und schüttelte den Kopf. Theo Pelz, der schon an der Tür stand, kam zum Schreibtisch zurück.
»Lassen Sie ihn draußen«, sagte Dr. Rathberg. Es klang sehr erschöpft. »Schicken Sie ihn weg ins Studio. Er soll weitermachen. Und diese Biggi … wie heißt sie?«
»Biggi Bergen.«
»Dieses kleine Luder soll er feuern. Sprechen Sie auch mit ihr, Herr Pelz. Sagen Sie ihr, daß ich mit allen juristischen Mitteln vorgehen werde, wenn sie hier einen Rummel machen will. Ich – verdammt noch mal –, ich will Ruhe in meinem Sender. Ist denn das nicht möglich?«
»Wir sind auch alle nur Menschen.« Theo Pelz drückte die Klinke herunter. »Und unter tausend Menschen gibt es hundert Sünder. Sie bleiben trotzdem unsere Brüder.«
»Sehr schön!« Rathberg steckte die Hände in die Rocktaschen. »Am nächsten Samstag übernehmen Sie ›Das Wort zum Sonntag‹, Pelz!«
Ihr gemeinsames Lachen war befreiend und wohltuend. Es tönte bis zum Vorzimmer, wo Detlev Cranz klein und mickrig bei Lore Kannegießer hockte und eine Tasse Kaffee zur Aufmunterung trank.
»Er lacht«, sagte Cranz entgeistert. »Hören Sie das? Er lacht. Wie der Pelz das fertigbringt …«
Lore Kannegießer legte zufrieden ihre Hände über die Tastatur der Schreibmaschine. Ihr Gesicht strahlte. »Ja, wenn wir den Pelz nicht hätten«, sagte sie. »Wir wären ein Sender ohne Herz …«
*
Am nächsten Tag bekam der Sender einen seltenen Besuch.
Die amerikanische Konkurrenz gab sich die Ehre. Der Riese besuchte den Zwerg. Mr. Withcock war an den Rhein gereist, um sein Lieblingskind zu realisieren: Das Musical um Othello. Sein Aufnahmeteam hatte er auf Zypern gelassen. Er drehte einen Kulturfilm über die Ruinen auf der drittgrößten Insel des Mittelmeers. So etwas zieht immer in den USA; sie haben dort etwas übrig für uralte Trümmer. Ein Film über die Akropolis in Athen zum Beispiel hatte einen riesigen Erfolg. Unabhängig voneinander schrieben drei Millionäre an die griechische Regierung
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