Der goldene Kuß
geringelte Röhre, steif gefroren. »Auch das noch!« schrie Dr. Rathberg.
»Er taut bei der Hitze schnell auf. Wo ist ein Anschluß? Die Außenleitung ist abgesperrt!« rief Pelz.
»Im Badezimmer …« Rathberg starrte in die flammende Küche. »Der Verschluß muß passen …«
Pelz rannte mit dem gefrorenen Schlauch weg. Unterdessen hatten sich die Flammen in die Decke gefressen. Im ganzen Haus knisterte es gefährlich. Rathberg rannte zum Telefon, das zum Glück noch funktionierte. Er rief den Bürgermeister von Waldhausen an, der gerade aus der Kirche gekommen war und zum Frühschoppen wollte.
»Ich alarmiere alle Feuerwehren, Herr Intendant!« rief der Bürgermeister. »In einer halben Stunde sind die Wehren da!«
In einer halben Stunde … Rathberg warf den Hörer zurück. Die Flammen schlugen nun schon ins Wohnzimmer. Die Hitze wurde unerträglich. Karin Jarut flüchtete in die Diele. Sie schrie leise auf, als Theo Pelz aus dem Badezimmer kam, hinter sich den Gartenschlauch, und sich den Flammen entgegenwarf. Zischend fuhr der Wasserstrahl in die Glut, aber außer Dampf hatte er keinerlei Wirkung.
Dr. Rathberg stellte sich neben Pelz und schüttelte den Kopf. »Es ist sinnlos! Ausgetrocknetes Holz … das brennt, wie es will. Wie konnte das bloß passieren?«
»Ich hatte die Pfanne mit Fett auf dem Gaskocher.« Pelz hielt den Wasserstrahl kurz gegen sich und Rathberg und durchnäßte sie völlig. Es war eine Wohltat in der Hitze, die ihnen entgegenschlug, und es schützte sie vor den wie ein Feuerwerk herumstiebenden Funken. »Ich hatte sie vergessen … wie die Eier …«
Er lächelte schief. Rathberg senkte den Kopf. Er hatte jetzt keinen Sinn für schwarzen Humor. Sein Haus brannte ab, sein schönes Jagdhaus; der einzige verschwiegene Ort, wo er Mensch hatte sein können. Das Haus, so voller Erinnerungen, voll heimlichen Glücks – es verbrannte vor seinen Augen wie ein Abschiedsbrief, den man ins Feuer warf und dem man nun zusieht, wie er sich kräuselt, schwarz wird, aufflammt und zu Asche zerfällt.
»Hören Sie mit der Spritzerei auf, Pelz«, sagte er rauh und riß ihm den Gartenschlauch aus der Hand. Er warf ihn in die Küchentüröffnung, wo er liegenblieb. Der Wasserstrahl prallte zischend gegen die Flammen. »Was Sie tun, machen Sie gründlich, das kenne ich.«
»Es war nicht meine Absicht …« stotterte Pelz.
»Für so einen Gangster halte ich Sie auch nicht.« Rathberg sah zurück in die weite Wohnhalle. Rauch wallte in dicken Wolken die Decke entlang. »Retten wir, was wir retten können. Die Geweihe, die Möbel, die Teppiche – vor allem die Geweihe! Alles kann ich mir wieder kaufen … das nicht! Es sind seltene Stücke darunter, und alles selbst geschossen. Los, schnell!«
Während aus der Küche das Feuer prasselte und die Wand zum Wohnraum zu dampfen schien, rissen Rathberg und Pelz die Geweihe von den Wänden und trugen sie hinaus in den Schnee. Karin Jarut zerrte die Teppiche aus dem Haus, dann schüttete sie aus den Schubladen das Silberbesteck in eine Decke und schleppte es in den Wald.
Von draußen bot sich ein schauriges Bild. Das Dach brannte zur Hälfte, der geschmolzene Schnee lief an der Hauswand herunter, aber die Flammen hielt er nicht auf. Wie Kanonenschüsse krachte es jetzt – die Scheiben platzten in der Glut. Aus dem Haus schwankte Rathberg, im Arm das Geweih eines Zwölfenders. Ihm folgte Pelz mit einem Gnugeweih aus Afrika.
»Bleib draußen!« schrie Pelz, als er sah, wie Karin wieder ins Haus wollte. »Das Feuer ist schon im Wohnzimmer.«
Als die Feuerwehren aller umgebenden Ortschaften eintrafen, mit Sirenen und Klingeln, saßen Dr. Rathberg. Theo Pelz und Karin Jarut draußen im Wald im Schnee zwischen den geretteten Geweihen, Teppichen und Möbeln. Das Jagdhaus brannte lichterloh; aus allen Fenstern schlugen die Flammen.
»Ob da noch was zu machen ist …?« sagte der Brandmeister von Waldhausen. »Waren Sie wenigstens gut versichert, Herr Intendant?«
»Ja.« Rathberg sah mit leeren Augen auf seine zu Asche und verkohlten Balken zusammenschrumpfende Erinnerung. Die Motorspritzen donnerten los, dicke Wasserstrahlen hüllten das Haus sofort in eine weiße, zischende Qualmwolke … da wandte er sich ab und ging zu seinem Wagen.
Nur einer hatte jetzt eine Glücksstunde: der Lokalreporter der Regionalausgabe ›Oberrheinisches Echo‹. Er war Mitglied der freiwilligen Feuerwehr Waldhausen, und während die Spritzen auf das Kommando: »Wasser los!«
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