Der goldene Ring
bevorsteht? Ungezogene Menschen! Man stelle sich vor, der arme Thaggy glaubt doch tatsächlich, wir wären seinem Volk von Nutzen gewesen! Wird es nicht ein Schock für ihn sein, wenn er erfährt, daß Nodonn mit seiner Meinung Über uns recht hatte? Und hier ist es - vorbuchstabiert von dem klugen Bryan und dem simplen Oggy. Das Schicksal der Menschheit und der Mischlinge von Tanu und Menschen ist so deutlich dargestellt, daß auch das bornierteste Mitglied der Heerschar es verstehen wird ... Ah, Bryan. Mit Oggy als Aufpasser hinter dir würdest du das Ding nur gehorsam dem König Überreichen und darauf vertrauen, daß er zu vernünftig ist, um das Offensichtliche zu tun. Oder siehst du das Offensichtliche nicht einmal, Bryan? ... Und mich nennen sie verrückt!«
Er kehrte zu den verstreuten Büchern auf dem Fußboden zurück, legte sie ordentlich zusammen und nahm sie mit hinaus. Mit ein bißchen Glück hatte er noch nichts von dem Feuerwerk versäumt.
Ogmol führte Bryan durch einen Geheimgang, der sich schließlich auf einen Alkoven dicht an der Estrade der großen Rotunde im Kreatorenhaus öffnete. Die Nische wurde von Vorhängen abgeschirmt, die so genial gewebt waren, daß sie nur den Blick von außen nach innen erlaubten.
»Ein altes Versteck der Wachen aus der Zeit der Unruhe vor fünfhundert Jahren«, flüsterte Ogmol. »Es gibt sie in allen Gilden-Hauptquartieren, und die Geheimgänge auch. Aber keiner legt noch Wert darauf, ausgenommen Gomnol und seine Koerzierer. Sie wissen ja, Bryan, wie paranoid sie ihrer Sicherheit wegen sind.«
Bryan achtete wenig auf die Erklärungen seines Gefährten. Auch verschwendete er nicht viel Zeit auf die Hohe Fakultät, die bereits auf der Estrade um den mit Beryllen eingelegten leeren Silberthron Platz genommen hatte. Auf diesem Thron saß üblicherweise Aluteyn Handwerksmeister. Der Anthropologe kannte vielleicht die Hälfte der Kreatoren hohen Ranges: den alternden Musiker Luktal, Renian Glashandwerker, Clana, die Illusionen spinnende Tochter der Königin, Clanas leibliche Schwester Anear, Seniet den Lord-Historiker, Lord Celadeyr von Afaliah, Ariet den Weisen und die beiden talentierten Mischlinge der Hohen Tafel, Katlinel die Dunkeläugige und Alberonn Gedankenfresser.
Die eigentliche Rotunde war beinahe von Wand zu Wand gesteckt voll mit Hunderten von Gildenmitgliedern, gekleidet in die unterschiedlichsten Abwandlungen ihres heraldischen Blaugrün mit Weiß oder Silber. Anwesend war ebenfalls eine große Zahl von hochstehenden Außenseitern, die, wie Ogmol erläuterte, sich entweder Gäste-Pässe besorgt oder sich einfach in eine Zeremonie eingedrängt hatten, die nichts als eine Gildenangelegenheit hätte sein sollen.
»Sehen Sie da?« Ogmol zeigte in die Richtung. »Die beiden in den weißen Kapuzenmänteln? der Thagdal und Nontusvel inkognito! So angezogen sind sie offiziell nicht anwesend, deshalb widmet ihnen niemand besondere Aufmerksamkeit.«
Allerdings waren den königlichen Nichtanwesenden Stehplätze in der vordersten Reihe gleich an der Estrade eingeräumt worden.
»Da ist Lady Eadone«, sagte Ogmol. »Jetzt werden sie anfangen.«
Die hohe, in Silber gekleidete Frau, flankiert von zwei männlichen Begleitern in silbernen Schwarzschmelz-Halbrüstungen, trat vor und stellte sich auf die rechte Seite der Bühne. Irgendwo klirrte die Kette. Tödliches Schweigen entstand. Bryan hatte jetzt keine Schwierigkeiten, Eadones Ansprache zu verstehen.
»Kreative Brüder und Schwestern! Dies ist eine außergewöhnliche Versammlung. Gemäß den ältesten Regeln unserer Gilde habe ich das Amt der Sprecherin, bis die heute zu regelnde Frage eine Lösung gefunden hat. Bestätigt die Rechtmäßigkeit meines Tuns.«
»Das Tun der Dekanin der Gilden ist rechtmäßig«, erklärten alle Mitglieder.
Eadone fuhr fort: »Aluteyn Handwerksmeister, Präsident der Kreatoren-Gilde, trete vor und nimm seinen rechtmäßigen Platz ein.«
Von der Menge stieg ein leises Gemurmel auf. Von der Seite gegenüber dem Alkoven, wo sich Bryan und Ogmol versteckten, kam eine kräftige Gestalt in einem dicht mit Juwelen besetzten Kaftan. Aluteyn blieb einen Augenblick lang vor seinem Thron stehen. Haar und Schnurrbart von silbriggoldener Farbe starrten vor statischer Elektrizität. Mit lauter, harter Stimme erklärte er: »Ich nehme meinen Sitz ein und Übergebe das Amt des Sprechers aus freiem Willen der fünffachen Güte der Lady Dekanin.« Er ließ sich auf den Thron plumpsen,
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