Der goldene Thron
Gesicht mochte sie, denn sie schienen auf seiner Nase zu tanzen, wenn er lachte.
»Jetzt schau doch nicht so entsetzt!« Conall fuhr sich durch die glatten roten Haare.
»Mach ich ja gar nicht, aber du gleich!« Isabelle hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und flüchtete. »Fang mich doch, wenn du kannst!«, rief sie lachend und drehte sich nach ihm um.
Conall stand wie angewurzelt da, schüttelte den Kopf und wischte sich angewidert über die Wange. Er war eben ein richtiger Junge, und die mochten es nun einmal nicht, wenn man sie küsste. Ein Lächeln flog über Isabelles Gesicht. Conall sah unschlagbar amüsant aus, wenn er wütend war! Zum Glück war er nicht nachtragend. Dazu waren sie viel zu gute Freunde.
Eigentlich waren sie sogar mehr als das, denn Brigid, Conalls Mutter, war Isabelles Amme und der nur um wenige Wochen ältere Junge darum ihr Milchbruder. Die Liebe zu Brigid verband sie ebenso wie die Furcht vor Orin, ihrem Mann. Und sie hatten noch weitere Gemeinsamkeiten. Sie liebten Katzen und Pferde und konnten eine Ewigkeit seelenruhig neben der Angelrute ausharren und darauf warten, dass ein Fisch anbiss, obwohl sie doch im Inneren beinahe platzten vor Bewegungsdrang. Sie streunten mit Vorliebe durch die Burg oder die engen Gassen von Kilkenny, dachten sich Streiche aus, mit denen sie die Soldaten narrten, und versteckten sich dann mit klopfendem Herzen in einer der Scheunen. Manchmal saßen sie auch einfach nur im Gras und malten sich aus, wie es sein würde, wenn Isabelle erst Herrin von Kilkenny und Leinster war. Sie würde die Normannen heimschicken und dafür sorgen, dass Iren wieder die Macht hatten, darin waren sie sich einig. Niemand würde Hunger leiden oder sich fürchten müssen. Friede und Wohlstand, Eintracht und Glück würden dann das Leben in Kilkenny bestimmen. Wie sie das allerdings anstellen sollte, darüber zerbrachen sich die beiden nicht den Kopf. Schließlich war bis dahin noch genügend Zeit.
Kilkenny war ein recht bedeutender Marktflecken, seit der englische König und die Normannen Leinster beherrschten. In Scharen waren Engländer und Waliser nach Irland gekommen, um ihr Glück zu machen, und obwohl sie einander nicht ausstehen konnten, verband sie doch das Gefühl, weit über den Iren zu stehen, deren Sprache zwar der walisischen ähnelte, deren Gesetze und Bräuche jedoch fremd und ungewohnt waren und vor allem den Normannen archaisch und lächerlich erschienen. Weder die fröhlichen Weisen irischer Lieder noch die stampfenden Schritte und Figuren der dazugehörigen Tänze gefielen ihnen, nicht einmal dem verträumten Klang der Harfe konnten sie etwas abgewinnen.
»Du sollst zum Vater kommen!«, rief Brian, einer von Conalls jüngeren Brüdern, und stakste mit seinen kurzen Beinen durch das hohe Gras.
Isabelle breitete die Arme aus. »Los, komm! Ich fange dich auf!«
Brian strahlte sie an und rannte juchzend auf sie zu.
Isabelle fing ihn ein und wirbelte ihn herum. »Du bist doch schon wieder gewachsen und schwerer geworden!«, stellte sie mit gespieltem Tadel fest, als sie ihn absetzte, und zwickte ihn liebevoll in die Wange. »Bald kann ich dich nicht mehr heben!«
»Wenn ich groß bin, dann heirate ich dich!«, verkündete der Kleine im Brustton der Überzeugung und zog seinen großen Bruder am Ärmel. »Komm! Vater wird sonst böse!«
Brians Vater war Brigids zweiter Mann und Conalls Stiefvater. Brigids erster Mann war noch vor Conalls Geburt bei der Feldarbeit vom Blitz erschlagen worden, darum war es ein großer Glücksfall für die junge Witwe gewesen, dass Aoife, die Frau des Burgherrn, zur gleichen Zeit ein Kind erwartet und sie als Amme ausgewählt hatte. Brigid und ihr Säugling waren auf der Burg untergebracht worden, damit die Amme stets in Isabelles Nähe sein konnte, und so waren die beiden Kinder wie Geschwister aufgewachsen. Erst als Isabelle mit drei oder vier Jahren Brigids Brust entwachsen war, hatte man die Amme wieder ins Dorf entlassen. Orin, ein Tagelöhner und um einiges älter als Brigid, war der Einzige gewesen, der die arme Witwe hatte freien wollen, und so hatte Brigid ihm wohl oder übel das Jawort gegeben. Doch Orin war ein unbeherrschter und brutaler Mensch, der schon wegen des geringsten Anlasses zuschlug.
Brian zog heftiger am Arm seines Bruders. »Nun komm schon!«, drängte er.
Conall hob ergeben die Arme. »Ich mach mich dann wohl besser auf den Weg. Vielleicht sehen wir uns später!« Im Gehen winkte er Isabelle noch
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