Der goldene Thron
harrte aus, schien Freude daran zu haben, sich am Fußende des königlichen Lagers herumzutreiben und nur hin und wieder gierig seine mageren Finger nach Henry auszustrecken.
Vier Tage siechte der junge König so dahin. Sein Gesicht war faltig und eingefallen, und sein Geist schien immer mehr zu erlöschen. Am fünften Tag des siebten Monats ließ er sich auf ein Bett aus Asche legen, unter dem Kopf nur ein Kissen aus Stein und am Körper ein härenes Hemd.
»Ich bin nun bereit zu gehen und will noch einmal beichten!«, raunte er Guillaume mühsam zu. »In Anwesenheit aller meiner Ritter.«
Guillaume nickte. Sein Hals war eng, das Schlucken schien ihm unmöglich.
»Herr, ich habe großes Unrecht getan«, weinte der junge König,als sich alle schweigend um ihn herum versammelten. »Ich habe die Freundschaft meines treuesten Ritters verraten, weil ich gutgläubig und eitel war. Ich habe gemordet, gestohlen und gebrandschatzt. Herr, vergib mir! Ich schwöre, dass ich zutiefst bereue!«
Als ihm der Bischof die Letzte Ölung erteilte, wurde er ruhiger. Henry schien bei klarem Verstand zu sein, als er sein Testament machte und begann, sein spärliches Hab und Gut unter seinen Männern zu verteilen. Er hatte ihnen ihre Treue noch zu seinen Lebzeiten zu vergelten, indem er sie beschenkte und bestimmte, was ihnen nach seinem Tod zustehen sollte, denn nach seinem Hinscheiden würde er nicht mehr für sie sorgen können. Doch der todgeweihte, junge König besaß keinen Penny mehr. Der zerstörerische Krieg hatte zu viel gekostet. Also verteilte er die Waffen und Kleidungsstücke, die er noch besaß. Seine engsten Vertrauten weinten, als er sie beschenkte, oder standen mit geröteten Augen um sein Lager. Sogar Adam und Thomas, die für ihre Machenschaften nicht zur Rechenschaft gezogen worden waren, weil Henry ein schwacher Herrscher gewesen war, schien dieser Moment nicht unbewegt zu lassen.
»Guillaume, Ihr seid mir der treueste Freund von allen gewesen«, stammelte der junge König mit dünner Stimme und sah sich suchend um.
»Ich bin hier, Mylord!« Guillaume, der die ganze Zeit neben seinem Kopfende gestanden hatte, trat vor ihn.
»Gebt mir Eure Hand!« Henry ergriff sie, legte sie mit der seinen auf das Kreuz des Mantels, der ihn bedeckte, und sah ihn aus angstgeweiteten Augen an. »Ich bitte Euch, mein Freund, erlöst mich! Ich werde nicht mehr ins Heilige Land ziehen können, um das Gelübde zu erfüllen, das ich vor Jahren schon ablegte. Darum flehe ich Euch an, geht Ihr an meiner statt! Bringt das Kreuz für mich nach Jerusalem.« Er keuchte vor Anstrengung.
Guillaumes Kehle war wie zugeschnürt. Diese letzte Aufgabe für seinen Herrn erfüllen zu dürfen, war eine große Ehre! Vielleicht war sie auch die Antwort auf die bange Frage, was aus ihm werden sollte. Auch wenn eine solche beschwerlich und kostspieligwar und er womöglich nie wieder zurückkam, so war dies doch eine Aufgabe, die zu vollbringen ihn glücklich machen würde.
»Das tue ich, Mylord. Ich verspreche es!« Er strich dem jungen König mit einer geradezu väterlichen Geste über die verschwitzte Stirn.
»Mein Vater«, stöhnte der Sterbende in diesem Augenblick, »er muss mir verzeihen!«
Guillaume übergab ihm den Ring. »Das hat er bereits«, sagte er sanft.
Der junge König bedeckte das Schmuckstück schluchzend mit Küssen. »Meine Mutter! Er soll meine Mutter freilassen!«, murmelte er kaum hörbar, dann sackte sein Kopf zur Seite, und ein letzter Atemzug entwich seiner Brust.
Kilkenny, Irland, im September 1183
I sabelle legte die Hand an die Stirn, um ihre Augen zu beschirmen, und suchte das Flussufer unterhalb des Hügels ab. Wie immer zu dieser Jahreszeit floss das Wasser gemächlich gurgelnd dahin. Bald jedoch würde der Herbst mit seinen starken Regenfällen den Nore anschwellen und an manchen Stellen zu einem reißenden Fluss werden lassen. Isabelle stellte sich auf die Zehenspitzen und zog die Augenbrauen zusammen. Conall war nirgendwo zu sehen. Ihr Blick tastete jeden Baum, jeden Strauch um sie herum ab. Plötzlich erzitterte der Ast eines Busches ganz in ihrer Nähe. »Ich hab dich!«, wollte sie schon rufen, als eine Ente aus dem Unterholz gewatschelt kam. Isabelle schnaufte enttäuscht.
»Ich hab gewonnen!«, sagte Conall, tippte ihr auf die Schulter und grinste sie breit an, als sie sich umdrehte. Er entblößte zwei riesige Vorderzähne, die Isabelle besonders gut an ihm gefielen. Auch die Sommersprossen in Conalls
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