Der goldene Thron
Guillaumes Zweifel würde er gewiss kein Verständnis haben.
»Hat Euch der Herr noch nicht haben wollen?«, neckte ihn der König und lachte ausgelassen. Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er sich ab. »Folgt uns zur Burg, Sir Guillaume, und lasst Euer Pferd versorgen, ich erwarte Euch in der Halle!«, rief er ihm über die Schulter zu und gab seinem Pferd die Sporen.
Guillaume sah ihm verdutzt nach, trieb sein Pferd zur Eile an und folgte den Reitern.Das Gemäuer der Burg war nicht neu, drei, vier, vielleicht mehr Generationen mochte es wohl alt sein. Auch die Wandteppiche auf den kalkverputzten Wänden waren schon älter und bereits an einigen Stellen geflickt. Die dicken Kissen, die auf den Eichenholztruhen der Halle lagen, waren abgewetzt und die Farben ein wenig verblichen. Vielleicht war es diese zwanglose Gemütlichkeit, die Lyons etwas so Anheimelndes und Einladendes gab, dass der König gern und häufig hierherkam.
Guillaume wich zur Seite, als mehrere Knechte Tischböcke, Holzplatten und Bänke herbeischleppten, um die Tafel für das Festmahl aufzustellen. Der König hatte inzwischen in einem Armsessel am oberen Ende der Halle Platz genommen und war umringt von fröhlich auf ihn einschwatzenden Baronen. Offenbar sprach man über die soeben beendete Jagd, die, den mehr als zufriedenen Gesichtern nach zu urteilen, ausgezeichnet verlaufen sein musste.
Ein gutes Omen für das erste Wiedersehen mit dem König nach so langer Zeit, dachte Guillaume, entspannte sich ein wenig und ging entschlossenen Schrittes auf Henry II. zu. Er wollte weder zu forsch wirken noch übermäßig zurückhaltend oder gar ängstlich. In angemessenem Abstand zum König blieb er stehen und verbeugte sich. Als er auch nach längerem Warten noch unbeachtet blieb, räusperte er sich. Einer der Männer, die beim König standen, sah ihn geringschätzig an.
»Mylord, Ihr wünschtet mich zu sehen!« Guillaume sprach laut und entschieden, aber auch darauf bedacht, seine Stimme freundlich klingen zu lassen.
»Gewiss, Maréchal! Tretet näher und berichtet mir von Eurer Reise. Habt Ihr für meinen Sohn …« Er hielt inne und bekreuzigte sich. »Der Herr sei seiner Seele gnädig. Habt Ihr getan, was Ihr geschworen habt?« Der König musterte ihn eindringlich.
»Ja, Mylord.« Guillaume drohte nun doch die Stimme zu versagen. Er räusperte sich noch einmal. »Ich legte seinen Mantel vor dem Altar nieder, wie er mich geheißen, entzündete eine Kerze und betete einen ganzen Monat lang jeden Tag für seinSeelenheil. Sein Gelübde ist erfüllt, Mylord. Er möge in Frieden ruhen.« In den Augen des Königs glaubte Guillaume das Glitzern von Tränen zu sehen. Er trat einen Schritt auf ihn zu. »Er fehlt mir«, gestand er dem König im Flüsterton.
Henry II. nickte nur wortlos, stemmte die Faust auf seinen Oberschenkel und lehnte sich ein wenig zur Seite. »Ich brauche einen Hauptmann für eine meiner Truppen und denke, Ihr seid der richtige Mann dafür.«
Guillaume verneigte sich. »Danke, Mylord, es ist mir eine große Ehre.«
Henry II. sah einen seiner Männer an und zuckte kaum merklich mit dem Kopf, dann wandte er sich wieder an Guillaume. »Ihr seid staubig von der Reise. Darum mögt Ihr Euch zurückziehen, um die Kleider zu wechseln, bevor das Essen aufgetragen wird.« Er wedelte mit der Hand. »Geht schon, geht! Man wird Euch geben, was nötig ist, um Euch frisch zu machen und neu einzukleiden.«
Guillaume verbeugte sich noch einmal. Als er sich wieder aufrichtete, sah er Robert de Tresgoz, der ihm aus der Menge der Ritter zulächelte. Wenigstens ein Gesicht, das nicht feindlich verschlossen ist!, dachte er erleichtert.
»Ich bin hungrig und könnte ein ganzes Wildschwein allein verspeisen!«, rief der König und klatschte in die schwieligen Hände. »Sagt dem Koch, er möge sich sputen, außerdem verdurste ich!«
Sofort eilten zwei Knappen davon.
»Folgt mir, Maréchal«, sagte der Mann, dem der König ein Zeichen gegeben hatte, und musterte Guillaume von Kopf bis Fuß.
Allein in der Kammer, die man ihm zugewiesen hatte, atmete Guillaume auf. Er war angekommen. Nicht zu Hause, aber zurück. Er rieb sich Körper und Gesicht mit einem nassen Leintuch ab und wischte den Staub der Reise fort. Dann legte er die neuen Kleider an, die man ihm gebracht hatte. Zufrieden strich er mit der Hand über seine Brust. Der Stoff des neuen Surcotsfühlte sich gut an! Fest, sauber und warm, nicht schmutzig und blank wie das dünn gewordene
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